Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Gold für die Dressur-Equipe
Das deutsche Quartett siegt überlegen vor der britischen Mannschaft. Isabell Werth feiert ihren sechsten Olympiasieg.
RIO DE JANEIRO Isabell Werth wollte nicht lange um den heißen Brei herumreden. Worum es an diesem Freitag im Dressur-Viereck von Deodoro gehen würde, machte sie unmissverständlich deutlich: einzig um den Olympiasieg mit der Mannschaft. „Die Goldmedaille war zu lange in britischen Händen, wir wollen unser Gold zurück“, sagte die 47-jährige Rheinbergerin. 2012 hatten sich die Briten um Überreiterin Charlotte Dujardin bei den Spielen von London besagtes Mannschaftsgold geholt. Das wurmte die erfolgsverwöhnten deutschen Reiter dann doch sehr – und Werth of-
„Die Goldmedaille war zu lange in britischen Händen. Wir wollen unser Gold zurück.“
Isabell Werth
vor der Entscheidung
fenbar besonders. Doch mit dem Ärgern ist es nun vorbei: In überlegener Manier holte sich das deutsche Quartett in Rio die Goldmedaille vor den Briten zurück. Und nicht nur das: Werth zog mit der sechsten Olympischen Goldmedaille an Dressur-Legende Reiner Klimke vorbei.
Letztlich wurden Werth, die Weltranglisten-Erste Kristina BröringSprehe, Dorothee Schneider und Sönke Rothenberger ihrer Favoritenrolle gerecht, die sie zuletzt beim CHIO in Aachen Mitte Juli untermauert hatten. Und vielleicht war es gestern beim abschließenden Grand Prix Special der Teamwertung auch das Aachener Wetter, das die Deutschen beflügelte. Schließlich war der deutsche Sommer in Rio angekommen: mal Nieselregen, mal sonnige Abschnitte, 20 Grad, böiger Wind – das kennen die Dressurreiter aus der Heimat.
Schon zur Halbzeit lagen Werth und Co. deutlich vor den Rivalen in Führung. Die drei Reiterinnen im Team zeigten im Grand Prix jeweils Runden mit einer Wertung von mehr als 80 Prozent. So lieferte letztlich „Küken“Rothenberger (21), dessen Eltern 1996 in Atlanta für die Niederlande Silber im Dressurviereck gewonnen hatten, das Streichergebnis, ohne mit seinen 77,329 Prozent enttäuscht zu haben.
Rothenberger war es dann auch, der auf Cosmo als Erster der deut- schen Equipe ins Reitstadion der Militäralange einritt. Er, der ein Jahr nach dem Abschied des als vermeintlichen Wunderpferdes verklärten Totilas und seines Reiters Matthias Rath mit seiner jugendlichen Art frischen Wind in die Dressurszene gebracht hat. Wind, der dann auch die etablierten Frauen anzutreiben scheint. Cosmo hat sogar einen Twitter-Account. Als Isabell Werth vor 24 Jahren in Barcelona auf Gigolo mit der Mannschaft die Goldmedaille gewann, war Rothenberger noch nicht geboren.
Hier, im Grand Prix Special, in dem auch schon mal zu Klängen von Roxette, Michael Jackson oder Elton John statt zu schweren, getragenen Melodien geritten wurde, lieferte Rothenberger in den 6:40 Mi- nuten eine solide Vorstellung. „Wir haben überragend angefangen, aber dann sind uns im Galopp doch einige Fehler unterlaufen. Das ist ärgerlich, aber ich denke trotzdem, Cosmo hat gezeigt, dass er es verdient hat, bei Olympia dabei zu sein“, sagte Rothenberger nach seinem Ritt.
Als Dorothee Schneider (47) eine gute halbe Stunde später ihren Ritt auf Showtime im nur spärlich besuchten Rund beendete, war die Freude groß – auf ihrem Gesicht und bei den deutschen Betreuern am Rand. 82,787 Punkte bedeuteten eine Steigerung im Vergleich zum Grand Prix und einen großen Schritt Richtung Team-Gold. „Natürlich empfindet man vorher Druck, aber der Ritt hat sich fantastisch ange- fühlt. Wenn so viel Talent beim Pferd und vielleicht auch ein bisschen gutes Reiten zusammenkommen, kann so etwas dabei herauskommen“, sagte eine fast zu Tränen gerührte Schneider. „Die beiden anderen werden es jetzt rocken“, war sie sich sicher.
Und Kristina Bröring-Sprehe rockte, sie hielt das hohe Niveau ihrer Vorgängerin annähernd und mit 81,261 Punkten auf Desperados Deutschland unbeirrbar auf Kurs Olympiasieg. Nun lag es an Routinier Isabell Werth, diesen Sieg auch ins Ziel zu bringen – und das gelang ihr mit einem hervorragenden Ritt auf ihrer Stute Weihegold. 83,711 Punkte bedeuteten die Ankunft am Ziel aller Teamträume und eine gute Vorlage fürs Einzelfinale.
In die Kür am Montag gehen neben ihr noch Bröring-Sprehe und Schneider. Sie alle werden versuchen, Topfavoritin Dujardin auf Valegro zu schlagen. Das wird schwierig genug, aber auch diese Goldmedaille soll ja irgendwann auch wieder nach Deutschland zurück. Eine Einzelmedaille generell wäre aber auch schon ein Erfolg, denn die hatte es 2012 in London erstmals seit 60 Jahren für Deutschland nicht gegeben.
Bei der Siegerehrung scheute Rothenbergers Wallach Cosmo und traf seinen Pfleger Bobbi Sanderson mit der Hinterhand. Sanderson musste behandelt werden, gab aber leichte Entwarnung, als er gestützt auf einen Helfer die Arena verließ und dabei ins Publikum winkte.