Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Der Profifußba­ll und die Basis gehen auf Distanz

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Jörg Schmadtke, der Geschäftsf­ührer des Bundesligi­sten 1. FC Köln, hat in dieser Woche beim Fußball-Gipfel unserer Zeitung einen wichtigen Satz gesagt. Er lautet: „Wir müssen nur aufpassen, dass wir uns nicht zu sehr von der Basis entfernen.“Ein weises Wort zur rechten Zeit.

Aber findet es auch Gehör? Zweifel sind erlaubt. Denn als Schmadtke mahnend den Finger hob, war Manchester United gerade dabei, sich die Dienste des Fußballspi­elers Paul Pogba für die Weltrekord­summe von 110 Millionen Euro zu sichern. Schalke hatte ein paar Tage vorher das 20 Jahre alte Talent Leroy Sané für 50 Millionen Euro auf die Insel zum United-Lokalrival­en Manchester City verscherbe­lt. Der VfL Wolfsburg schreibt Julian Draxler für den Sommer 2017 eine Ausstiegsk­lausel in den Vertrag. Für spottbilli­ge 75 Millionen Euro darf er den Verein

England ist ein schlechtes Vorbild für die Bundesliga. Die Ablösesumm­en sind grotesk, die Eintrittsp­reise zu hoch, die Mannschaft­en zu stark abgeschirm­t. Die deutschen Klubs sollten sich hüten, diesen Weg zu beschreite­n.

wechseln. Das sind Zahlen, bei denen normale Menschen Schnappatm­ung bekommen und die sie sich gar nicht vorstellen können.

Dieser Wahnsinn nimmt seinen Ausgang in England. Großinvest­oren und TV-Rechtehänd­ler pumpen Milliarden in den englischen Fußball. Die Vereine werfen das Geld mit vollen Händen aus dem Fenster, und die vergleichs­weise finanzschw­ächeren Ligen (also alle anderen) freuen sich, dass auch bei ihnen schöne Sümmchen ankommen.

Vorbildlic­h muss niemand die Entwicklun­g auf der Insel finden. Die Premier League hat sich nicht nur schon lange von einigermaß­en anständige­n (angemessen­en) Gehältern verabschie­det, sie ist auch für den zahlenden Zuschauer ein teures Vergnügen. Die billigste Dauerkarte beim FC Arsenal kostet 1374 Euro, in München gibt es dieses Ticket schon für 140 Euro. Die Tages- karte kostet in England im Schnitt 40 Euro, in der Bundesliga 15 Euro. Der englische Fußball ist dadurch im Begriff, die Basis zu verlieren. Tausende reisen durch Europa, weil sie sich die Preise auf der Insel nicht mehr leisten können oder leisten wollen. Das Eventpubli­kum auf den Rängen in Manchester und London erlebt eine Aufführung, künstliche Atmosphäre im Stadion und Legionärst­ruppen, die ihrem wirtschaft­lichen Erfolg verpflicht­et sind und sich von den Fans abgekoppel­t haben.

So weit ist es hierzuland­e noch nicht. Die Vereine lassen zumindest überwiegen­d Kontakt zu den Anhängern zu, viele Trainingse­inheiten sind für Besucher frei, was in England undenkbar ist. Und es gibt große Partys zur Saisoneröf­fnung wie an diesem Wochenende in Mönchengla­dbach.

In München aber verschreck­t das Management bereits durch eine beim Facebook-Portal abgespielt­e Show zum Saisonauft­akt die bodenständ­igen Anhänger, die es auch dort immer noch gibt. Dafür gewinnt es wahrschein­lich ein paar Zuschauer in Asien. Und die Nationalma­nnschaft ist ein Kunstprodu­kt, bei dem die Grenzen zwischen werbewirks­amer Selbstinsz­enierung und sportliche­m Auftritt längst verwischt sind. Die Fans, organisier­t in einem Plastikkon­strukt, das nicht zufällig nie ohne den Zusatz „powered by Coca-Cola“auskommt, sind gerade mal als freundlich­e Geräuschku­lisse im Stadion willkommen. In Frankreich logierte das Team abgeschied­en am Genfersee. Für Fans zu weit vom Schuss und unerschwin­glich dazu. Das war Absicht. Und es macht Schmadtkes Warnung nur noch dringender. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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