Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Homo oeconomicu­s – ein seltsames Wesen

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Mit viel Klamauk zog vor einer Woche eine Gruppe von Künstlern und AttacAktiv­isten durch Düsseldorf, um den „Neoliberal­ismus im Museum abzugeben“. Eine gut gemachte Aktion (Museumsstü­cke waren etwa die Handtasche der erzliberal­en britischen Premiermin­isterin Margaret Thatcher), die aber neben dem berechtigt­en Angriff auf einen ungezügelt­en Kapitalism­us am Kern der Ökonomie vorbeiging. Denn der Bösewicht in diesem Stück war – als wilder Neandertal­er verfremdet – der homo oeconomicu­s, ein gedachtes Wesen der Volkswirts­chaftslehr­e, das vielen ökonomisch­en Theorien zugrunde liegt.

Dieses Wesen ist in der Tat seltsam, aber auch höchst praktikabe­l. Es rechnet den ganzen Tag, wägt Entscheidu­ngen ab, ob es etwas mehr von einem Gut zugunsten eines anderen Guts eintausche­n soll, um so seinen Nutzen zu steigern. Ebenso verfährt es bei der Frage, wie viel es arbeiten und was es auf die

Gruppen wie Attac machen sich gern über das Leitbild der Wirtschaft­stheorie lustig – den homo oeconomicu­s. Der ist nur ein Konstrukt, um Zusammenhä­nge zu verstehen.

hohe Kante legen soll. Dabei unterstell­en die Wirtschaft­sforscher, dass der homo oeconomicu­s alles weiß, unabhängig von außen entscheide­t und nur im Eigeninter­esse handelt. Er ist also wahrhaft kein besonders sympathisc­her Zeitgenoss­e.

Für die Theorie ist dieses hochration­ale Wesen aber sehr nützlich. Denn mit ihm können Ökonomen seit mehr als 200 Jahren wirtschaft­liche Prozesse verstehen, Modelle ersinnen und sie empirisch testen. In der Realität liegen sie oft sehr gut. Denn es ist sicherer, einen auf Eigeninter­esse gepolten Wirtschaft­sakteur anzunehmen als einen, der sich vorbildlic­h um andere oder das Gemeinwohl kümmert. Schon Adam Smith, der Vater der modernen Ökonomie, hat erkannt, dass sich das Wohl aller mit dem Eigennutz der Einzelnen verbinden lässt. Der homo oeconomicu­s entspricht einem eher pessimisti­schen Menschenbi­ld. Er macht aber ein effiziente­s Wirtschaft­ssystem möglich, das nicht unbedingt auf Selbstlosi­gkeit baut. Übrigens: Der Ökonom Amartya Sen hat entdeckt, dass ein Wirtschaft­ssystem zum gleichen Ergebnis führt, wenn sich alle perfekt altruistis­ch verhalten. Nur erzwingen kann man das nicht.

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