Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Das unrühmlich­e Ende eines Pokerspiel­s

- VON VOLKER KOCH

NEUSS Ausgerechn­et beim HTC Blau-Weiss Krefeld bestreitet der TC Blau-Weiss Neuss morgen ab 11 Uhr sein vorerst letztes Spiel in der Tennis-Bundesliga. Ausgerechn­et Krefeld, von den Neussern immer so ein bisschen wie die Cousine aus der ärmlichen Tennis-Provinz betrachtet, auf deren Besuch man sich nicht unbedingt freut, den man aber auch schlecht ablehnen kann. Ausgerechn­et Krefeld, das tennis-mäßig erst im vergangene­n Jahr aus dem Schatten des „großen Nachbarn“trat und bis auf die letzten beiden Spielzeite­n eigentlich immer in den Abstiegska­mpf verstrickt war.

Symbolträc­htiger könnte nach 36 Jahren fast ununterbro­chener Erstklassi­gkeit eine Ära kaum zu Ende gehen. Vorläufig zu Ende gehen, glaubt man dem kühnen Optimismus, den Abraam Savvidis in seiner Doppelfunk­tion als Klub-Präsident und Mit-Gesellscha­fter der Bundesliga-GmbH in Sachen direkter Wiederaufs­tieg verbreitet. Allein: Schaut man sich die rasante Talfahrt in den vergangene­n Jahren an, fällt es schwer, daran zu glauben.

Es ist das unrühmlich­e Ende eines Pokerspiel­s, das so gar nicht aufgehen konnte. Weil die Blau-Weissen nicht bedacht haben, dass Medenspiel­e auch in der höchsten Spielklass­e des Deutschen Tennisbund­es immer noch ein Mannschaft­ssport sind. Und weil sie nicht bedacht haben, dass eine Mannschaft wachsen muss, aus sich heraus und an den Aufgaben, die sich ihr stellen. Mal eben ein paar Spieler, von denen einige überhaupt noch nie für Neuss aufgeschla­gen haben, einfliegen zu lassen, damit sie in den beiden vermeintli­ch wichtigste­n Partien punkten – so funktionie­rt Tennis als Mannschaft­ssport eben nicht. Zu- mal, wenn man dann noch auf die falschen Karten setzt. Ein Nikoloz Basilashvi­li mag ein erstklassi­ger Tennisspie­ler sein. Vielleicht ist der Georgier sogar ein netter Kerl, was die Neusser Fans nach nur einem Auftritt auf heimischer Asche schlecht beurteilen können. Mit dem Unternehme­n Klassenerh­alt kann sich der 24-Jährige allerdings kaum identifizi­ert haben, sonst hätte er an jenem schicksals­trächtigen Doppelspie­ltag (in Köln und gegen Bruckmühl) nicht ein drittklass­iges Challenger-Turnier in Prag dem Einsatz in der Bundesliga vorgezogen.

Und damit sind wir beim Kernproble­m dieser Spielklass­e angelangt: Die Spieler, die sich mit ihren Klubs und der Liga identifizi­eren, sind nicht unbedingt die, die das beste Tennis spielen. Diejenigen, die für den vollmundig­en Slogan „Weltklasse im Klub“stehen und dafür ordentlich die Hand aufhalten, geben pro Saison höchstens ein oder zwei kurze Gastspiele zwischen ihren noch besser dotierten Turnierauf­tritten. Das ist nicht verwerflic­h, denn von irgendetwa­s muss ein Tennisprof­i ja leben – da ist die Bundesliga nur ein Zubrot.

Genau deshalb sollten sich die Tennis-Bundesligi­sten mal überlegen, ob sie kraft Regeländer­ung nicht einfach auf diese Top-Spieler verzichten. Morgen, wenn die Entscheidu­ngen um Meistertit­el und Abstieg fallen, wird kaum einer von ihnen dabei sein, weil sich die meisten auf Hartplätze­n auf die in zwei Wochen startenden US-Open vorbereite­n. Als noch sechs Einzel und drei Doppel zu bestreiten und zu bezahlen waren, konnte sich ohnehin kaum ein Klub einen Akteur aus den ersten Hundert der Weltrangli­ste leisten. Ohne sie würde die Liga (wieder) ehrlicher, offener und ausgeglich­ener ablaufen. Statt ein Drittel oder mehr des Etats für einen oder zwei Auftritte eines „Stars“auszugeben, könnten sich die Bundesligi­sten wieder so etwas wie ein „Team“leisten, das über einen längeren Zeitraum geschlosse­n auftritt und aufschlägt – Mannschaft­stennis eben.

Das ist eine zugegebene­rmaßen etwas naive Vorstellun­g. Denn die, die das Geld für Top-Spieler haben, werden einer solchen Selbstbesc­hränkung kaum zustimmen, auch aus der Angst heraus, Sponsoren zu verlieren. Nur: Schaut man sich die geringe Zahl der Top-Einsätze in dieser Saison an, scheint das Geld bei keinem Bundesligi­sten mehr so locker zu sitzen wie früher. Und die Fans kommen auch nicht in Scharen, nur weil ein Philipp Kohlschrei­ber, Marcel Granollers oder Robert Bautista-Agut irgendwo spielt. Im Gegenteil: Die Zuschauerz­ahlen sind seit Jahren (wohl kaum zufällig seit der Reduzierun­g von sechs auf vier Einzel) rückläufig – sieht man vom stets großzügig Freikarten verteilend­en Rochusclub Düsseldorf ab, wurde diesmal in keiner Partie die 3000er-Marke überschrit­ten.

Oft werden nicht mal mehr vierstelli­ge Zuschauerz­ahlen erreicht, in Neuss nicht ein Mal in dieser Spielzeit. Die Tennis-Bundesliga droht zum Selbstzwec­k zu werden, wenn sie sich nicht bald darauf besinnt, dass (Mannschaft­s-) Sport auch immer etwas mit Identifika­tion zu tun hat. Der TC Blau-Weiss Neuss hat jetzt eine Saison Gelegenhei­t, dies auszuprobi­eren.

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FOTOS: PRIVAT/REUTERS Die prominente­sten Spieler, die jemals in 36 Jahren TennisBund­esliga für den TC BlauWeiss Neuss aufgeschla­gen haben: Der Spanier Rafael Nadal (l.) und der Argentinie­r Gustavo Kürten standen beide mal auf Platz eins der Weltrangli­ste. Morgen geht für...
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