Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Vielleicht mag ich dich morgen
Sie hatte ihm erklärt, dass sich das nicht so verhielt, worauf er erwidert hatte: „Okay, gut, ich habe so was noch nie gemacht, aber es ist wie folgt. Ich bin noch nie einer Frau begegnet, bei der es gleich so gefunkt hat wie bei dir. Ich wollte dich einfach besser kennenlernen. Ich kann mir zwar vorstellen, dass nichts, was du bis jetzt von mir mitgekriegt oder gehört hast, in dir den Wunsch auslöst, dich mit mir zu verabreden, aber ich will dich sehen. Also habe ich beschlossen, absolut ehrlich zu sein und dich einfach um einen gemeinsamen Abend anzuflehen. Keine Verpflichtungen, kein Druck. Wenn du ablehnst, schwöre ich, nie wieder zu fragen.“
Erstaunlicherweise war es schwer, nein zu sagen. Und noch während sie überlegte, hatte Laurence, bum, die Karten auf den Tisch gelegt: „James hat mir geholfen, weil er weiß, wie verrückt ich nach dir bin. Also bin ich nicht ganz sicher, was er heute Abend von dir will. Er kann nämlich recht gerissen sein . . .“Und vor lauter Neugier hatte Anna sich erkundigt, was er damit meinte. Stichwort für die unangenehmen Enthüllungen.
Anna hatte sich seine Sprüche angehört und dabei Lexie beobachtet, die zusammengesackt auf dem Stuhl hing und James, sturzbetrunken, wie sie war, vollkommen hemmungslos anstierte. Davor hatte sie Anna ausführlichst geschildert, wie unglaublich nett und aufrichtig James im Büro sei. Anna versah Lexies Lobeshymnen mit den gebührenden Abstrichen, nachdem klar war, dass die Frau schrecklich für ihn schwärmte. Und wie sie wusste, erstreckte sich diese Aufrichtigkeit nicht auf den Status seines Liebeslebens.
Da war ein eigenartiger Moment gewesen, von dem sie keiner Menschenseele erzählen würde, als James versucht hatte, ihr Bowling beizubringen. Er hatte sich an sie gedrückt, und das hatte sich angefühlt . . . ja, eine Sekunde lang hatte es sich richtig angefühlt. Anna ertappte sich dabei, dass sie diese Episode immer wieder in Gedanken durchspielte und sich vorstellte, wie er sie im Arm hielt. O Gott, offenbar war sie einsamer, als sie sich eingestehen wollte. Wenn das so weiterging, wäre sie bald wie eine Knastinsassin, die anfing, einen auf Macho zu machen, sich Tattoos mit Panthern stechen ließ und sich in ihrer Verzweiflung wie zufällig an ihren Mitgefangenen rieb. Laurence und James. Und die Mock-Rock-Fete. Wer von den beiden war schlimmer? James. Eindeutig James. Schließlich hatte der sie auf die Bühne gelockt.
Und hatte Michelle – ja sogar James selbst – nicht gesagt, dass es reine Zeitverschwendung sei, Onlinedates mit Schlaftabletten auszumachen?
„Okay, Laurence“, hatte Anna deshalb gesagt. „Warum nicht?“
Willst du tatsächlich zu dieser Verabredung mit Loz gehen? Wow. Ich bin schon auf die Schilderung gespannt. Falls du die Story nicht per Videoübertragung in einem Gerichtssaal erzählen musst. Mit Puppen als Demonstrationsobjekten. (Sorry, aber trink nichts, was komisch nach Kreide schmeckt.)
Jx
Um langsam in Fahrt zu kommen, war James montagmorgens gerade dabei, seiner Schwester eine Mail zu schreiben, als er schuldbewusst zusammenzuckte, weil jemand direkt neben ihm stand.
Glücklicherweise war es Lexie. Uff. Die Arme war am Freitag ein Bild des Jammers gewesen. Heute sah sie immer noch hohlwangig und wächsern aus. (Fortsetzung folgt)