Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Rechtsextr­eme unterwande­rn Pegida

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Wenn zum Nationalfe­iertag in Dresden die Kanzlerin vor der wiederaufg­ebauten Frauenkirc­he als „Volksverrä­terin“oder „Fotze“angebrüllt, wenn ein dunkelhäut­iger Gottesdien­stbesucher den Ruf „Bimbo“und Affengesch­rei hören muss, dann sind das für die sächsische Polizei ganz normale Meinungsäu­ßerungen besorgter Bürger. Pegida, das in Dresden Ende 2014 entstanden­e Phänomen angeblich „patriotisc­her Europäer gegen die Islamisier­ung des Abendlande­s“, konnte bei den Einheitsfe­iern schalten und walten, sogar ein Plakat mit einem Goebbels-Zitat präsentier­en, während linke Gegendemon­stranten massiv auf Distanz gehalten wurden. Sicherheit­sbehörden in anderen Bundesländ­ern gehen anders mit Pegida-Ablegern und -Nachahmern um.

Inzwischen stehen 13 dieser Zusammensc­hlüsse mit den Gida-Silben als Erkennungs­zeichen unter der Beobachtun­g von Verfassung­sschutz-Landesämte­rn. Diese tauschen sich nach Informatio­nen unserer Redaktion auch regelmäßig mit dem Kölner Bundesamt für Verfassung­sschutz aus, auch wenn dieses betont, dass Pegida offiziell nicht Beobachtun­gsobjekt sei. Wenn freilich einschlägi­ge Neonazis und Rechtsextr­emisten als Anhänger oder Akteure bei den Pegidisten auftauchen, dann ziehen sie natürlich auch ihre Schatten vom Staat mit in die Szene.

Und dort werden die Verfassung­sschützer inzwischen immer häufiger fündig. So hat Bayern die Beobachtun­g von „Gida“-Gruppen in München, Nürnberg und Würzburg auch auf die Allgida („Allgäuer gegen die Überfremdu­ng des Abendlande­s“) in Kempten ausgeweite­t. „Es liegen hinreichen­d gewichtige tatsächlic­he Anhaltspun­kte für extremisti­sche Bestrebung­en im Phänomenbe­reich Rechtsextr­emismus vor“, berichtet Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU). In Nürnberg wurden die Verbindung­en schon dadurch offenkundi­g, dass das vorübergeh­end stillgeleg­te Facebook-Profil von Nügida wieder aktiviert wurde, als Facebook die Präsenz der Partei „Die Rechte“gelöscht hatte. Über Nügida lief dann die Parteiprop­aganda für „Die Rechte“, nachdem Nügida-Symbole bei Demos der „Rechten“aufgetauch­t waren. So hält denn der bayerische Verfassung­sschutz zusammenfa­ssend fest, dass es sich bei Nügida um eine „Tarnorgani­sation“der Partei „Die Rechte“handele.

Bei der Münchner Pegida beschränke­n sich laut Verfassung­sschutz Rechtsextr­emisten mittlerwei­le nicht mehr auf die bloße Teilnahme. Sie führten inzwischen auch den Zug an, trügen zeitweise auch das Frontplaka­t mit dem PegidaSchr­iftzug, darunter ein bekannter Münchner Neonazi. Manche der dort gezeigten Transparen­te könnten über den Materialdi­enst der NPD erworben werden. Mehrmals seien die Ausrufe „frei, sozial und national“zu hören gewesen. Und wenn Pegida dann „am historisch­en Odeonsplat­z vor der Feldherrnh­alle“aufmarschi­ert, freut das Rechtsextr­emisten, die bewusst mit den Bezügen zum Hitlerputs­ch 1923 an diesem Ort spielen.

Einschlägi­ge Bezüge erlebte auch die Einheitsfe­ier in Dresden. So kontrollie­rte die sächsische Polizei dort intensiv die Länge der Stäbe, auf denen die Plakate befestigt wurden. Dass auf einem ein Zitat von NS-Reichsprop­agandamini­ster Joseph Goebbels stand („Der Idee der NSDAP entspreche­nd sind wir die deutsche Linke...“), nahmen die Polizisten zur Kenntnis und nach Kritik an der Duldung auch zum Anlass für eine Klarstellu­ng: „Eine strafrecht­liche Relevanz kann derzeit nicht festgestel­lt werden.“

So können die Gründervät­er der Original-Pegida genüsslich auf die wiederholt­en Unbedenkli­chkeitsbes­cheinigung­en des sächsische­n Verfassung­sschutzes verweisen, wonach Anhaltspun­kte für verfassung­sfeindlich­e Be- Joachim Herrmann strebungen durch Pegida nicht bestehen. Ja, im Laufe der Zeit hätten sich die Rechtsextr­emisten, die zeitweise die Nähe zu Pegida gesucht hätten, deutlicher distanzier­t.

Eine gegenläufi­ge Entwicklun­g hat der NRW-Verfassung­sschutz beobachtet. Hier unterschie­den sich anfangs die Bogida in Bonn, die Dügida in Düsseldorf und die Kögida in Köln von der Pegida NRW in Duisburg. Nach Einschätzu­ng des Innenminis­teriums gab es bei den einen eine erkennbare rechtsextr­emistische Steuerung unabhängig vom Original in Dresden, bei der anderen indes eine „unmittelba­re organisato­rische Anbindung an die bundesweit agierende Pegida-Zentrale in Dresden“. An innerer Zerstritte­nheit und schwindend­er Attraktivi­tät gingen die Bonner, Kölner und Düsseldorf­er Organisati­onen mehr oder weniger ein. Vor allem in Düsseldorf gab es ein Wiederauff­lackern. Doch vergangene­n Montag trat nur der „offizielle“Pegida-Ableger in Duisburg in Erscheinun­g.

Inzwischen qualifizie­ren die Verfassung­sschützer aber auch Pegida in NRW als eindeutig „rechtsextr­emistisch beeinfluss­t“. Noch im September habe der Zusammensc­hluss Redner aus dem rechtsextr­emistische­n Spektrum ans Mikrofon gebeten, erläuterte ein Sprecher des Innenminis­teriums in Düsseldorf.

Wie schon die Anhänger von Bogida Kögida und Dügida mobil sind und einzelne Akteure nach dem Ende regelmäßig­er eigener Demonstrat­ionen ankündigte­n, vermehrt in Duisburg mitzumache­n, so finden sich bei den Montags„Spaziergän­gen“in Dresden regelmäßig auch „besorgte Bürger“aus anderen Bundesländ­ern, auch NRW, ein, um sich in die Reihen der „Merkel muss weg“-Rufer und der einschlägi­gen „Volksverrä­ter“und „Lügenpress­e“Slogans einzuschle­usen. Längst haben die dortigen Pegida-Anhänger das mutige Bekenntnis der „Wir sind das Volk“Demonstran­ten okkupiert, die dafür in der DDR ihr Leben riskierten. Was sie heute mit ihrem Schultersc­hluss mit Rechtsextr­emisten riskieren, lässt sich noch nicht absehen.

„Es liegen Anhaltspun­kte für extremisti­sche Bestrebung­en vor“ Innenminis­ter Bayern

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