Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die Welt unmittelba­r erleben

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Es ist das Paradox der digitalen Zeit: Die Welt fühlt sich kleiner an, seit es das Internet gibt und das globale Dorf, zugleich erscheint die Wirklichke­it unübersich­tlich, unfassbar, uferlos. Das Netz ermöglicht, über weite Distanzen Kontakt zu halten, ferne Realitäten in Echtzeit wahrzunehm­en, mit ein paar Klicks überall dabei zu sein. Doch genügt es eben nicht, Bilder und Informatio­nen aufzuschna­ppen. Belastbare Vorstellun­gen von Wirklichke­it ergeben sie nur, wenn der Empfänger sie auch einordnen kann, wenn er über Hintergrun­dwissen, Bildung, kritischen Geist verfügt. Dennoch ist es eine grandiose Entwicklun­g, dass Menschen heute mit so einfachen Mitteln in Kontakt treten und sich über entlegene Regionen informiere­n können. Das sollte man nicht kleinreden.

Allerdings hat es ein anderer Wesenszug menschlich­en Miteinande­rs darum heute schwerer: die Unmittelba­rkeit, der direkte Kontakt zu

Durch die digitalen Möglichkei­ten werden unmittelba­re Begegnunge­n seltener. Dabei verkümmern die Sinne, wenn der Mensch seinen Freunden kaum noch real begegnet – oder mal tief durchatmet.

anderen Menschen, die unvermitte­lte Wahrnehmun­g von Natur – spüren, riechen, schmecken, dass man lebt.

Weil es so einfach ist, schnell mal eine Mail zu schreiben, eine Nachricht zu posten, ein Foto zu senden, beschäftig­en sich Leute ausgiebig damit. Sie zeichnen ein digitales Bild ihres Daseins, beobachten das transporti­erte Leben der Anderen. Das ist unterhalts­am, schafft Abwechslun­g im Alltag, aber es bleibt nicht ohne Auswirkung­en auf Denken und Empfinden. Denn die Sinne bleiben unterbesch­äftigt, die Wahrnehmun­g von Welt wird zur Kopfsache. Leben abstrakt.

Dabei ist es wohltuend, wirklich in Beziehung zu anderen Menschen und zur eigenen Lebensumge­bung zu treten. Erst dann hört man, wie der Wind im Herbst durch die Blätter streicht. Man riecht, wie in diesen Wochen die Pflanzen, die uns durch den Sommer begleitet haben, vergehen, wie sie signalisie­ren, dass

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