Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Kaiser’s kämpft um seine letzte Chance
Heute findet in Frankfurt ein weiteres Gipfeltreffen statt – mit ungewissem Ausgang für die mehr als 15.000 Mitarbeiter der Tengelmann-Tochter. Hunderte Beschäftigte machten sich gestern in Viersen für den Erhalt ihrer Jobs stark.
VIERSEN Heute findet es dann also statt, das vermutlich allerletzte Treffen, bei dem die Beteiligten im Fall Kaiser’s Tengelmann versuchen, eine gemeinsame Lösung für die Supermarktkette zu finden. Gelingt es ihnen bei ihrer zweiten Zusammenkunft in Frankfurt nicht, den Knoten zu durchschlagen, droht Kaiser’s die Zerlegung – ein Alptraum für die Belegschaft, den Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub mit seinem Ultimatum noch verschlimmert hat. Morgen läuft die Frist ab, innerhalb der Haub eine Lösung verlangt hat. Andernfalls soll mit dem Einzelverkauf begonnen werden, hat der Familienunternehmer vor knapp zwei Wochen nach einer Aufsichtsratssitzung verkündet. Und niemand zweifelt daran, dass er das umsetzt, wenn die Gespräche scheitern sollten.
Das wäre das Ende eines Unternehmens, an dessen Wiege in Viersen die Belegschaft gestern noch einmal versucht hat, ein Zeichen zu setzen. Hunderte Mitarbeiter sind zur Betriebsversammlung gekommen. Viele von ihnen haben über Jahre auf Weihnachts- und Urlaubsgeld verzichtet und dafür ihren Arbeitsplatz für drei Jahre gesichert. Entsprechend groß ist der Frust bei vielen, dass ihr Job jetzt doch wackelt. Manche geben sich keinen Illusionen hin: „Die Chancen stehen schlecht. Und für Mitarbeiter, die Mitte 50 sind, wird es ganz schwer, einen neuen Job zu finden“, sagt eine Frau aus Mülheim und kritisiert die Tengelmann-Unterneh- mensführung: „Die Kommunikation in der Sache war alles andere als berauschend.“
Was Tengelmann-Chef Haub wohl dazu sagen würde? Oder zu Aussagen wie „Wir sind nicht der Spielball irgendwelcher Manager“? Zu Unmutsbekundungen wie „Jeden Tag wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben, aber wir erfahren fast nichts“? Zu Kritik wie „Wir haben hier heute doch überhaupt nichts Neues gehört“?
Raimund Luig, der Geschäftsführer von Kaiser’s Tengelmann, versucht, vor den anwesenden Mitarbeitern dem Konzernchef beizuspringen. „Die Hängepartie muss ein Ende haben“, fordert der Manager. Er beklagt die schrumpfenden Umsätze der vergangenen Jahre und die enorme Erosion beim Personal. Aus der Zentrale in Mülheim sei schon ein Fünftel der Belegschaft weg, sagt Luig. In diesem Jahr werde es erneut einen hohen Ver- lust geben, im nächsten Jahr wäre der sogar noch größer, prophezeit der Geschäftsführer. Von zehn Millionen Euro Verlust pro Monat war zuletzt die Rede.
Ein nächstes Jahr wird es für Kaiser’s Tengelmann aber aller Voraussicht nicht geben, wenn Rewe, Norma und Markant ihre Beschwerde gegen die auf Eis gelegte Ministerlaubnis für die Übernahme durch Edeka nicht zurückziehen. Davon war aber bisher nicht auszugehen. Edeka und Tengelmann müssten den Kontrahenten etwas für deren Rückzug bieten, heißt es in Handelskreisen immer wieder. Aber was sollte das sein? Wird Kaiser’s am Ende doch unter den Wettbewerbern aufgeteilt? „Für mich spielt es keine große Rolle, ob da jetzt Edeka, Kaiser’s oder sonst was draufsteht. Hauptsache, ich verdiene mein Geld weiter“, sagt Sezek Ismail, der vor Jahren des Jobs wegen von Berlin nach Viersen zog und die Stadt am Niederrhein nicht schon wieder verlassen will.
Statt Kaiser’s könnte auf den Niederlassungen dann auch Norma draufstehen. Oder Markant. Oder am Ende sogar Karstadt, nachdem die österreichische Signa-Gruppe, der Eigentümer der Essener Warenhauskette, auch Interesse an einzelnen Standorten signalisiert haben soll. Deren Miteigentümer René Benko hatte schon zweimal versucht, beim Warenhauskonkurrenten Galeria Kaufhof zum Zuge zu kommen, war damit aber zweimal gescheitert. Bei Kaiser’s Tengelmann hatte den Österreicher bisher überhaupt noch niemand auf der Rechnung.
Egal, was heute in Frankfurt passiert, die Protagonisten wollen sich ein paar Tage Zeit lassen. Eine endgültige Entscheidung zur Zukunft der Kette sei erst am Montag zu erwarten, erklärt Geschäftsführer Luig. Die anwesende Belegschaft nimmt das fast schon resigniert zur Kenntnis. Einige gehen schon vor dem Ende der gut einstündigen Veranstaltung wieder. Zuversicht sieht anders aus.