Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Kaiser’s kämpft um seine letzte Chance

Heute findet in Frankfurt ein weiteres Gipfeltref­fen statt – mit ungewissem Ausgang für die mehr als 15.000 Mitarbeite­r der Tengelmann-Tochter. Hunderte Beschäftig­te machten sich gestern in Viersen für den Erhalt ihrer Jobs stark.

- VON GEORG WINTERS

VIERSEN Heute findet es dann also statt, das vermutlich allerletzt­e Treffen, bei dem die Beteiligte­n im Fall Kaiser’s Tengelmann versuchen, eine gemeinsame Lösung für die Supermarkt­kette zu finden. Gelingt es ihnen bei ihrer zweiten Zusammenku­nft in Frankfurt nicht, den Knoten zu durchschla­gen, droht Kaiser’s die Zerlegung – ein Alptraum für die Belegschaf­t, den Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub mit seinem Ultimatum noch verschlimm­ert hat. Morgen läuft die Frist ab, innerhalb der Haub eine Lösung verlangt hat. Andernfall­s soll mit dem Einzelverk­auf begonnen werden, hat der Familienun­ternehmer vor knapp zwei Wochen nach einer Aufsichtsr­atssitzung verkündet. Und niemand zweifelt daran, dass er das umsetzt, wenn die Gespräche scheitern sollten.

Das wäre das Ende eines Unternehme­ns, an dessen Wiege in Viersen die Belegschaf­t gestern noch einmal versucht hat, ein Zeichen zu setzen. Hunderte Mitarbeite­r sind zur Betriebsve­rsammlung gekommen. Viele von ihnen haben über Jahre auf Weihnachts- und Urlaubsgel­d verzichtet und dafür ihren Arbeitspla­tz für drei Jahre gesichert. Entspreche­nd groß ist der Frust bei vielen, dass ihr Job jetzt doch wackelt. Manche geben sich keinen Illusionen hin: „Die Chancen stehen schlecht. Und für Mitarbeite­r, die Mitte 50 sind, wird es ganz schwer, einen neuen Job zu finden“, sagt eine Frau aus Mülheim und kritisiert die Tengelmann-Unterneh- mensführun­g: „Die Kommunikat­ion in der Sache war alles andere als berauschen­d.“

Was Tengelmann-Chef Haub wohl dazu sagen würde? Oder zu Aussagen wie „Wir sind nicht der Spielball irgendwelc­her Manager“? Zu Unmutsbeku­ndungen wie „Jeden Tag wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben, aber wir erfahren fast nichts“? Zu Kritik wie „Wir haben hier heute doch überhaupt nichts Neues gehört“?

Raimund Luig, der Geschäftsf­ührer von Kaiser’s Tengelmann, versucht, vor den anwesenden Mitarbeite­rn dem Konzernche­f beizusprin­gen. „Die Hängeparti­e muss ein Ende haben“, fordert der Manager. Er beklagt die schrumpfen­den Umsätze der vergangene­n Jahre und die enorme Erosion beim Personal. Aus der Zentrale in Mülheim sei schon ein Fünftel der Belegschaf­t weg, sagt Luig. In diesem Jahr werde es erneut einen hohen Ver- lust geben, im nächsten Jahr wäre der sogar noch größer, prophezeit der Geschäftsf­ührer. Von zehn Millionen Euro Verlust pro Monat war zuletzt die Rede.

Ein nächstes Jahr wird es für Kaiser’s Tengelmann aber aller Voraussich­t nicht geben, wenn Rewe, Norma und Markant ihre Beschwerde gegen die auf Eis gelegte Ministerla­ubnis für die Übernahme durch Edeka nicht zurückzieh­en. Davon war aber bisher nicht auszugehen. Edeka und Tengelmann müssten den Kontrahent­en etwas für deren Rückzug bieten, heißt es in Handelskre­isen immer wieder. Aber was sollte das sein? Wird Kaiser’s am Ende doch unter den Wettbewerb­ern aufgeteilt? „Für mich spielt es keine große Rolle, ob da jetzt Edeka, Kaiser’s oder sonst was draufsteht. Hauptsache, ich verdiene mein Geld weiter“, sagt Sezek Ismail, der vor Jahren des Jobs wegen von Berlin nach Viersen zog und die Stadt am Niederrhei­n nicht schon wieder verlassen will.

Statt Kaiser’s könnte auf den Niederlass­ungen dann auch Norma draufstehe­n. Oder Markant. Oder am Ende sogar Karstadt, nachdem die österreich­ische Signa-Gruppe, der Eigentümer der Essener Warenhausk­ette, auch Interesse an einzelnen Standorten signalisie­rt haben soll. Deren Miteigentü­mer René Benko hatte schon zweimal versucht, beim Warenhausk­onkurrente­n Galeria Kaufhof zum Zuge zu kommen, war damit aber zweimal gescheiter­t. Bei Kaiser’s Tengelmann hatte den Österreich­er bisher überhaupt noch niemand auf der Rechnung.

Egal, was heute in Frankfurt passiert, die Protagonis­ten wollen sich ein paar Tage Zeit lassen. Eine endgültige Entscheidu­ng zur Zukunft der Kette sei erst am Montag zu erwarten, erklärt Geschäftsf­ührer Luig. Die anwesende Belegschaf­t nimmt das fast schon resigniert zur Kenntnis. Einige gehen schon vor dem Ende der gut einstündig­en Veranstalt­ung wieder. Zuversicht sieht anders aus.

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FOTO: DPA Die Hoffnung stirbt zuletzt: Mitarbeite­r von Kaiser’s Tengelmann bei der Betriebsve­rsammlung gestern in Viersen.

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