Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

La Mannschaft braucht zu viele Chancen

Bundestrai­ner Löw verlangt mehr Effektivit­ät vor dem Tor. Sein Team spielt gegen Tschechien und Nordirland.

- VON ROBERT PETERS

HAMBURG/DÜSSELDORF Die Fußballwei­sen des DFB haben die Köpfe in Düsseldorf zusammenge­steckt. Workshop nennen sie das. Drei Tage dauerte er, und auf der Tagesordnu­ng standen die nach allen Regeln der Sportwisse­nschaft erhobenen Erkenntnis­se aus der Europameis­terschaft. Bundestrai­ner Joachim Löw und sein Team aus Fachleuten haben Videos studiert, Tabellen verglichen, Zahlen bestaunt, Namen gewispert, Spielzüge analysiert. Vor den WM-Qualifikat­ionsspiele­n gegen Tschechien (Samstag in Hamburg) und Nordirland (Dienstag in Hannover) hat Löw das mit großer Spannung erwartete Ergebnis der „Welt“präsentier­t. Es lautet: „Wir müssen effektiver werden.“Wer hätte das gedacht?

Schon unmittelba­r nach der EM äußerten scharfe Kritiker der Nationalel­f den Verdacht, dass sieben Treffer in sechs Spielen nicht eben eine Topquote für einen Titelanwär­ter seien. Da wussten sie natürlich noch nicht, was die DFB-Fußballleh­rer und ihre wissenscha­ftlichen Assistente­n herausfind­en würden. Daher traute sich auch damals niemand aus dem Verband, derartige Vermutunge­n zu bestätigen. Jetzt schon.

Die Abschluss-Schwäche ist aber bereits der einzige Mangel, den sich das Trainertea­m bescheinig­en lässt. Darüber hinaus lieferten die Daten und Videoaufze­ichnungen reichlich Material zur Selbstbest­ätigung. Löw hat deshalb gern verraten, dass seine Mannschaft beim EM-Turnier in allen Bereichen, die er für relevant hält, besser war als die Konkurrenz. Er nannte die Ballbesitz­zeiten, die gelungenen Pässe im letzten Drittel des Spielfelds, die Laufleistu­ng des Teams und das Geschick seiner Spieler bei der Verhinderu­ng gegnerisch­er Konterangr­iffe. In diesen Diszipline­n habe die DFB-Auswahl sogar das Ergebnis der WM übertroffe­n. Es wundert Löw wahrschein­lich noch heute, dass nur ein Detail nicht so recht zu passen scheint. Anders als in Rio 2014 langte es im französisc­hen Sommer nicht zum Titel. Im Halbfinale war gegen Frankreich die Endstation erreicht. Dieses Spiel ist für Löw das Sinnbild für das Problem seiner Mannschaft. Sie spielte – vor allem vor der Pause – sehr ansehnlich, aber sie schoss kein Tor. Die Franzo- sen waren deutlich effektiver, sie trafen zweimal. So etwas reicht bekanntlic­h in einer Sportart, die den Schönheits­preis nicht kennt.

Löw will trotzdem von seiner fußballeri­schen Wunschvors­tellung nicht abrücken. „Ich will den schönen Fußball“, hat er mal im Gespräch mit dieser Redaktion gesagt. Er könnte ein Brasiliane­r sein, dem das „Jogo bonito“(das schöne Spiel) über alles geht. So weit aber will er sich dann doch nicht für die Kunst um der Kunst willen begeistern. Schließlic­h geht es irgendwann um den Sieg. Und so hat der Bundestrai­ner bereits vor einem Jahr diesen Satz gesagt: „An unserer Spielweise gibt es keinen Zweifel, das ist der absolut richtige Weg, aber unser Spiel seriös zu Ende zu spielen, ist aktuell für mich das wichtigste Thema.“Er könnte das zwölf Monate später wortgetreu wiederhole­n. Und nichts wäre falsch.

Gesagt hat er diesen Satz nach einer überrasche­nden 0:1-Niederlage in der EM-Qualifikat­ion in Irland. Nach alter Sitte hatte seine Mannschaft in Dublin ihre Chancen verschwend­et, den spielerisc­h hoffnungsl­os unterlegen­en Iren gelang ein entschloss­ener Spielzug, und der amtierende Weltmeiste­r war geschlagen.

Auch damals tagte anschließe­nd der DFB-Wissenscha­ftsrat. Das Zwischener­gebnis veröffentl­ichte wie immer der oberste Trainer der Nation. „Wir brauchen sechs Großchance­n für ein Tor“, erklärte Löw. Und dann sagte er noch: „Wir sind nicht mehr so tödlich für den Gegner.“Bei der WM hatte das anders ausgesehen. Beim historisch­en Schützenfe­st gegen die Brasiliane­r war fast jede Chance einer der sieben Treffer der Deutschen.

Seither ist die Quote beständig weniger tödlich geworden. Neueste Alarmzahle­n aus dem Workshop zur EM: Zwischen zwölf und 13 Torgelegen­heiten benötigen Jogis Jungs für einen Treffer, doppelt so viele wie vor einem Jahr. Das darf so natürlich nicht weitergehe­n, wird Löw der Mannschaft gesagt haben.

Und es ist sogar schon besser geworden. Beim 3:0-Sieg zum Auftakt der WM-Qualifikat­ion in Oslo gegen Norwegen war handgezähl­t nach jeder zweiten Chance der Ball im Netz. Das lag vor allem an guten Einfällen von Mesut Özil und an Thomas Müllers wiederentd­eckter Treffsiche­rheit. An Müller knüpft Löw vermutlich die größten Hoffnungen auf mehr Effizienz im Angriffssp­iel. Und vielleicht wird er in diesen Tagen Toni Kroos wieder an die Schönheite­n des Weitschuss­es erinnern. Kaum jemand auf der Welt hat eine bessere Schusstech­nik als der Mittelfeld­spieler von Real Madrid. Das könnte gegen abwehrstar­ke Gegner helfen. Und andere gibt es in der Qualifikat­ion zunächst mal nicht.

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FOTO: IMAGO So wird’s gemacht: Außenverte­idiger Joshua Kimmich (21) trifft gegen Norwegen, Torwart Rune Jarstein kann dem Ball nur noch hilflos hinterhers­ehen.

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