Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Rettet Dorie!

Nach dem Erfolgssta­rt von „Findet Dorie“befürchten Tierschütz­er einen Hype um die anspruchsv­ollen Platten-Doktorfisc­he.

- VON BEATE WYGLENDA

Hier zeigen wir den Paletten-Doktorfisc­h in Originalgr­öße. Anders als im Film wird er deutlich größer als ein Clownfisch. Werden die Fische verbotener­weise mit Cyanid gefangen, überleben nur 20 Prozent die Reise vom Riff ins Aquarium. DUISBURG Sie ist blau, vergesslic­h und der Hingucker auf den Kinoleinwä­nden. Allein am ersten Wochenende hat die Platten-Doktorfisc­h-Dame Dorie nach Hochrechnu­ngen 875.000 Besucher in die Kinos gelockt. Damit legte der Pixar-Animations­film „Findet Dorie“den besten Start des deutschen Kinojahres 2016 hin. Nach dem Run auf die Kinosäle rechnen Tierschütz­er und -händler nun auch mit einem Ansturm auf Zoofachges­chäfte. Denn kaum ist ein gefiederte­r, fellbesetz­ter oder schuppiger Held in einem Film zu sehen, bricht ein neuer Haustiertr­end aus. Das war schon vor mehr als 70 Jahren so, als nach dem Filmklassi­ker „Lassie Come Home“(Heimweh) das Kaufintere­sse für schottisch­e Langhaarco­llies hochschnel­lte. Das war auch in den 90ern der Fall, als dank der Ninja-Turtles rund eine Viertelmil­lion junger Rotwangens­childkröte­n aus Lateinamer­ika erst in Terrarien und dann vielfach in europäisch­en Gewässern landete. Gar vom „Ra- Sie sind Schwarmfis­che und sollten in Gruppen von mindestens fünf Tieren gehalten werden. Juni bereits im Gang. Dabei betont Norbert Zajac, Inhaber des weltweit größten Zoogeschäf­ts mit Sitz in Duisburg: „Paletten-Doktorfisc­he sind weder für Kinder noch für Aquaristik­anfänger geeignet.“Denn während Clownfisch­e wie Nemo zeitlebens klein bleiben, werden Paletten-Doktorfisc­he bis zu 30 Zentimeter groß und bis zu 30 Jahre alt. Zudem sind die azurblauen Exoten Schwarmtie­re und müssen in einer Gruppe von mindestens fünf, besser sieben bis neun Fischen gehalten werden. Auch die Ansprüche an die Wasserqual­ität sind hoch. Das Aquarium muss mindestens 1000 Liter Salzwasser fassen und mit aufwendige­r Technik versehen sein. Für den regelmäßig­en und komplizier­ten Wasseraust­ausch ist ein Zweitaquar­ium sinnvoll. „Mit 3000 bis 5000 Euro müssen Interessen­ten schon rechnen“, sagt Zajac. „Das hat nichts mit dem Film zu tun, in dem Fische in einem Goldfischg­las gehalten werden.“

Entspreche­nd viel Beratungsa­rbeit muss der Tierhandel leisten. Verkauft werden die pflegeinte­nsiven Fische nicht an Anfänger. „Wir betreiben einen Riesenaufw­and, um die Tiere gesund zu halten und zu schützen, da werden wir sie nicht an jemanden verkaufen, der sich keine Gedanken darüber macht, wie anspruchsv­oll die Pflege ist“, betont Zajac. Andere Fachgeschä­fte nähmen die Fische, solange der Hype anhält, gänzlich aus dem Programm. Manfred Hees begrüßt die Entscheidu­ng. „Die Fachhändle­r betonen einstimmig, marine Zierfische sind keine Spielzeuge.“

Mehr Sorgen machen ihm allerdings illegale Internet- und Amateurhän­dler, die auf den Zug aufspringe­n wollen. „Das kann nicht Das Aquarium für diese Fische muss mindestens 1000 Liter Meerwasser fassen. Die Kosten: 3000 bis 5000 Euro. tatouille- Effekt“spricht Manfred Hees vom Bund deutscher Tierfreund­e mit dem Nachfrageh­och nach Ratten im Jahr 2007. „Den stärksten Haustierbo­om gab es aber nach ‚Findet Nemo‘, als derart viele Kinder einen Clownfisch haben wollten, dass die Nachzucht verstärkt werden musste, um die Nachfrage zu bedienen“, sagt er. Einen ähnlichen Hype erwartet Hees nun auch um Nemos Freundin Dorie. In den USA ist er seit dem Kinostart im nur für die einzelnen Tiere, sondern auch für deren ganzen Lebensraum verheerend­e Folgen haben“, bestätigt Britta König von der Umweltorga­nisation WWF. Denn anders als Anemonenfi­sche, zu denen Nemo gehört, lassen sich Paletten-Doktorfisc­he nicht in Gefangensc­haft vermehren – mit einer Ausnahme: Im Juli dieses Jahres ist dies Züchtern aus Florida erstmals gelungen. „Bis solch eine Nachzucht im Handel verkauft werden kann, dauert es jedoch noch Jahre“, sagt König. Bislang sind nur Wildfänge erhältlich.

Seriöse Fangstatio­nen setzten dabei auf Handnetze, mit denen einzelne Paletten-Doktoren schonend im Indopazifi­k gefangen werden. Floriert jedoch der Schwarzmar­kt, so befürchten Tierschütz­er, dass die inzwischen verbotene, aber noch praktizier­te Fangmethod­e mit Cyanid neuen Aufschwung erlebt. Dabei werden die Fische mit der milchigen Blausäure betäubt, um sie leichter

fangen zu können. Übertreibt ein Taucher es mit dem Gift, stirbt der Fisch sofort. Viele weitere verenden beim Transport. „Schätzungs­weise 80 Prozent der so gefangenen Paletten-Doktorfisc­he überleben die Reise vom Riff bis ins Aquarium nicht“, verdeutlic­ht König. „Noch schlimmer ist aber, dass sich die Blausäure auch über die Riffe ausbreitet und sie schädigt.“

Im Aquazoo Sea Life Oberhausen freut man sich über die Begeisteru­ng der Kinder, versucht aber mit den Themenwoch­en „Helden der Meere“(bis 13. November) rund um Dorie, Nemo und ihre Freunde auch aufzuklä

ren. Im Juli 2016 ist es Züchtern erstmals gelungen, sie in Gefangensc­haft zu vermehren. Im Handel gibt es nur Wildfänge.

 ??  ??
 ??  ??
 ?? FOTOS: DPA, BUENA VISTA DISNEY PIXAR | GRAFIK: ZÖRNER ??
FOTOS: DPA, BUENA VISTA DISNEY PIXAR | GRAFIK: ZÖRNER

Newspapers in German

Newspapers from Germany