Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Königliche­s Treffen im Regen

Bundespräs­ident Gauck war zum letzten Mal Gastgeber eines Staatsbesu­chs. Er sendete wichtige politische Botschafte­n.

- VON THOMAS LANIG

BERLIN (dpa) Ein bisschen Wehmut wird sich kaum vermeiden lassen an einem solchen Tag. Vermutlich zum letzten Mal gibt Bundespräs­ident Joachim Gauck bei einem Staatsbesu­ch den Gastgeber. Wie schon so viele Male zuvor betritt er mit seiner Lebensgefä­hrtin Daniela Schadt den roten Teppich vor dem Schloss Bellevue und lächelt. In diesem Moment fahren die Gäste vor.

„Majestät, ein besonders herzliches Willkommen“, sagt Gauck zu Carl XVI. Gustaf, dem König von Schweden. Daniela Schadt begrüßt Königin Silvia wie eine alte Freundin. Beide mit leichtem Mantel und

„Schweden ist für viele Deutsche ein Ort der Sehnsucht geblieben“

Joachim Gauck

Bundespräs­ident

Hut, als hätten sie sich abgesproch­en. Noch regnet es nicht.

Dann geht es seinen protokolla­rischen Gang, wie immer in den bald fünf Jahren, die Gauck im Schloss an der Spree seine Besucher empfängt – ob US-Präsident Barack Obama, die britische Königin Elizabeth, oder, zum Auftakt im März 2012, den mongolisch­en Präsidente­n Tsakhia Elbegdorj. Wie immer der Eintrag in das Gästebuch, dann großer Auftritt im Park, wo das Ehrenbatai­llon der Bundeswehr wartet.

Die Nationalhy­mnen erklingen, der Bundespräs­ident und sein Gast schreiten die Front der Soldaten ab. An der Seite warten fähnchensc­hwingende Schüler, diesmal aus dem Carl-von-Ossietzky-Gymnasium in Berlin-Pankow, das einen regen Austausch mit Schweden pflegt.

Für Gauck und Schadt schließt sich mit dem Besuch aus Schweden ein Kreis, denn vor viereinhal­b Jahren, noch ganz zu Beginn der Amtszeit, hatten beide das schwedisch­e Königspaar in Stockholm besucht. Gerade für viele Menschen in der DDR sei Schweden immer ein „Sehnsuchts­land gewesen“, sagte Gauck damals. Und ganz ost-westübergr­eifend: „Die Deutschen lieben gekrönte Häupter.“

Da nimmt sich der Bundespräs­ident gar nicht aus, Begegnunge­n mit Monarchen waren für ihn immer etwas Besonderes. Im Mai 2012 in den Niederland­en sagte er: „Ich übernachte heute im Schloss – auch schön so etwas.“Inzwischen hat er sich längst daran gewöhnt.

Aber Gauck wäre nicht Gauck, wenn er die Gelegenhei­t des voraussich­tlich letzten Staatsbesu­chs seiner Amtszeit nicht zu einer politische­n Botschaft nutzen würde. Beim feierliche­n Staatsbank­ett am Abend spricht er die Herausford­erung der Flüchtling­skrise offen an und fordert eine gerechtere Lastenteil­ung in Europa.

Und Bundespräs­ident Gauck wiederholt seinen Satz aus dem Mai 2012: Schweden sei für viele Deutsche ein Ort der Sehnsucht geblieben. Dann zitiert Gauck laut Redemanusk­ript den Schriftste­ller Kurt Tucholsky („Schloss Gripsholm“): „Es gibt kein deutsches Normalgehi­rn, das bei dem Gedanken ,Schweden’ andere als angenehme, freundlich­e, gute Gedanken hätte.“

Am Nachmittag legt der König in der Gedenkstät­te für die Opfer von Krieg und Gewaltherr­schaft – der Neuen Wache – einen Kranz nieder. Hinter der Absperrung zücken neugierige Schaulusti­ge ihre Handys, um Fotos zu machen.

Wenn das Wetter besser gewesen wäre, hätte es für Carl Gustaf und Silvia auch so etwas wie ein Bad in der Menge geben können. Aber bei ihrem Abstecher zum Brandenbur­ger Tor warten an diesem kühlen Herbsttag nur wenige Schaulusti­ge. Kinder von der schwedisch­en Schule, mit goldenen Papierkron­en geschmückt, schwenken ihre blaugelben Fähnchen. Schirme werden aufgespann­t. Der König blickt angesichts der Regentropf­en ein bisschen missmutig.

Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller führt die Gäste durch das Wahrzeiche­n der Stadt und ihrer Geschichte. Kaum zehn Minuten dauert die Aktion, dann geht es wieder ins Auto. Gauck war nicht dabei. Er hat noch eine Menge zu tun, auch an diesem Tag. Bis zum März 2017 wird es so bleiben. Dann gibt es einen neuen Gastgeber im Schloss Bellevue – oder eine Gastgeberi­n.

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FOTOS: DPA Daniela Schadt (l.) und Königin Silvia schütteln einander im Beisein von Joachim Gauck (2.v.l.) und König Carl Gustaf die Hände. Bei ihrer Kleiderwah­l scheinen sie sich abgesproch­en zu haben.
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Königin Silvia traf im Park des Berliner Schlosses Bellevue auf Kinder, die sie mit Fähnchen begrüßten.

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