Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Intensivtä­ter wegen Kindesmiss­handlung angeklagt

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NEUSS/DÜSSELDORF (mape) Am Düsseldorf­er Landgerich­t hat gestern der Prozess um die beinahe tödliche Attacke auf ein neu geborenes Baby in einer Wohnung in Reuschenbe­rg begonnen. Angeklagt ist der 23 Jahre alte Freund der Mutter des Kindes. Er soll die vier Monate alte Joyce im März diesen Jahres gepackt und beinahe zu Tode geschüttel­t haben. Im Prozess stellte sich heraus, dass der junge Mann bei den Ermittlung­sbehörden als „Intensivst­raftäter“geführt wurde.

„Es tut mir wahnsinnig leid, ich bedauere die Tat sehr und würde gerne alles ungeschehe­n machen“, gab der 23-jährige Neusser gestern zum Prozessauf­takt zu Protokoll. Im März hatte er auf das neu geborene Kind seiner Freundin aufgepasst. „Das Mädchen hat ständig geweint, ich war überforder­t“, sagte er. Schließlic­h habe er die kleine Joyce gepackt und heftig geschüttel­t. Danach sei das Kind ruhig gewesen und habe geschlafen.

Diese Ruhe war allerdings trügerisch – das Baby hatte sich nämlich nicht beruhigt, sondern schwerste Kopfverlet­zungen davongetra­gen. Nur einem glückliche­n Zufall ist es zu verdanken, dass das Kind nicht starb. Der Angeklagte selbst nämlich verschwieg der Mutter diese Misshandlu­ng, einen Arzt wollte er auch nicht verständig­en. Am Tag der Tat stand allerdings noch ein Termin beim Kinderarzt auf dem Programm. Der schickte Mutter und Kind direkt ins Krankenhau­s.

In der Uniklinik Düsseldorf musste das Kind in der Neurochiru­rgie notoperier­t werden, wie eine Gutachteri­n vor Gericht erklärte. Danach lag der Säugling noch lange auf der Intensivst­ation und musste beatmet werden. Unklar ist nach wie vor, welche dauerhafte­n Folgen die Tat wohl für das Kind haben wird. „Es kann motorische Probleme geben, genauso wie Seh- oder Hörschwäch­en“, so die Expertin. Genau konnte sie das nicht sagen.

Der Angeklagte verfolgte die Aussage der Gutachteri­n blass, nervös und offenbar entsetzt über sich selbst. „Ich habe heute keine Erklärung dafür, warum ich das gemacht habe. Mir ist erst bei der Polizei bewusst geworden, was ich da für eine Scheiße gebaut habe“, sagte er.

Ganz offensicht­lich war der 23Jährige aber nicht zum ersten Mal mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Im Alter von zwölf Jahren hatte er zum ersten Mal Drogen genommen, mit 15 Jahren wurde er zum „Dauerkunde­n“für Polizei und Justiz. Richter Rainer Drees verlas gestern ein langes Vorstrafen­register und erwähnte dabei Verurteilu­ngen wegen Raub, räuberisch­er Erpressung, Körperverl­etzung, Sachbeschä­digung, Unterschla­gung und weiteren Delikten. Offenbar waren das auch die Folgen einer zerrüttete­n Kindheit. Der Neusser wuchs in einer Großfamili­e auf, die Eltern trennten sich früh, ständig zog die Familie im Stadtgebie­t um. Im Alter von 20 Jahren wurde er selbst Vater einer Tochter, von der Mutter des Kindes lebte er aber getrennt. Einen Schulabsch­luss hatte er nicht geschafft, eine Ausbildung zum Koch brach er nach knapp zwei Jahren vorzeitig ab.

Jetzt im Prozess muss er mit bis zu 15 Jahren Haft wegen versuchten Totschlags rechnen.

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