Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Unterwegs mit dem Martinssam­mler

Der Martinsver­ein Holzbüttge­n zieht in diesen Wochen wieder durch die Straßen, um für die Finanzieru­ng der nicht nur bei Kindern beliebten Martinstüt­en zu sammeln. Unsere Autorin hat einen von ihnen einen Nachmittag lang begleitet.

- VON ELISABETH KELDENICH

HOLZBÜTTGE­N Kerstin Fröhmer strahlt. „Ich habe schon auf Sie gewartet“, sagt sie und zückt die Geldbörse, entnimmt ihr Geld und gibt es Torsten Köhler. Er händigt ihr dafür zwei Gutscheine aus, erbittet noch eine Unterschri­ft und nach einem kleinen Plausch verabschie­den sie sich. Diese Szene spielt sich derzeit in den frühen Abendstund­en häufiger in Holzbüttge­n ab. Eingefleis­chte wissen: Die Sammler des Martinsver­eins sind wieder zur Finanzieru­ng der Tüten unterwegs, die vor und nach dem Martinszug ausgegeben werden. Torsten Köhler (48) ist seit 2005 als ehrenamtli­cher Helfer dabei.

„Eine Bettelei ist das nicht, die Leute geben gern etwas – im Durchschni­tt fünf Euro“

Torsten Köhler

Martinssam­mler

„Ich habe die gesamte Edelweißst­raße übernommen“, erzählt er. Der Tischlerme­ister braucht meistens drei Abende, bis er alle Anwohner „seiner“Straße angetroffe­n hat. „Wenn man ein Mal damit angefangen hat, macht es richtig Spaß. Eine Bettelei ist das nicht, die Leute geben gern etwas – im Durchschni­tt fünf Euro“, erklärt er.

Der Wert der Tüten – ein Weckmann, Obst und Süßigkeite­n, zusätzlich können sich die Kinder ein kleines Geschenk wie Radiergumm­i oder Stifte aussuchen – liege etwas höher, aber viele gäben sowieso mehr, sagt Köhler. „Alle Kinder in Holzbüttge­n bekommen eine Tüte, das sind dann um die 1200“, erläutert er. Bis zu 15 Mitglieder des Martinsver­eins packen sie „wie am Fließband“im Pfarrzentr­um am Morgen des Zuges fertig. „Das dauert zwei Stunden und das halbe Pfarrzentr­um steht voll“, erklärt Köhler.

Auch Nicole Grewe holt sofort ihr Portemonna­ie, als Köhler vor der Haustür steht. „Ich freue mich seit der Geburt meiner ältesten Tochter vor 16 Jahren auf das Martinsfes­t hier im Ort. Jeder kennt dadurch jeden“, sagt sie. Auch Claudia Gernster wird zum Zug gehen, obwohl ihre Kinder jetzt erwachsen sind und sie keine Gutscheine mehr braucht. „Ich mag diese Stimmung“, sagt sie. „Viele ältere Menschen unterstütz­en diesen Brauch gerne“, erklärt Köhler und klingelt bei Eduard Jankowski, der schon seit Anfang der 80er Jahre spendet. Er braucht inzwischen Gutscheine für seine Enkel. „Die älteren Leute kennen das hier, das ist total easy, dort zu klingeln“, sagt Torsten Köhler und überprüft seine selbst erstellte Liste mit Namen, Hausnummer­n, Höhe der Spende, Anzahl der ausgegeben­en Gutscheine und Unterschri­ften.

Jetzt muss er unbedingt zu Frank Eck (49), denn dieser besteht jedes Jahr auf eine eigene Tüte. „Ich habe schon als kleines Kind eine bekommen“, sagt Eck lachend und deutet seine damalige Größe mit knapp über dem Boden gehaltener Hand an, „warum sollte ich später darauf verzichten?“. Also ordert er vier Gutscheine – für seine beiden Kinder, seinen Enkel und sich selbst. „Und ich darf dann wieder die Köpfe der Weckmänner essen, die will keiner“, erzählt seine Frau Ulla schmunzeln­d.

Bis zum Einbruch der Dunkelheit geht Köhler von Haus zu Haus. „Negative Erlebnisse sind selten. Nach zweimalige­m Abweisen gehe ich nicht mehr hin“, erklärt er. Die Sammelakti­on sei auch ein Integratio­nsprojekt: Neu Zugezogene würden damit ins örtliche Brauchtum eingebunde­n.

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NGZ-FOTO: ANJA TINTER Torsten Köhler sammelt in Holzbüttge­n für die Martinstüt­en. Hier erhält er eine Spende von Nicole Grewe und Tochter Angelina.

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