Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Rot-Rot-Grün wäre Gabriels letzte Chance

Rund 100 Abgeordnet­e von SPD, Linken und Grünen kommen heute im Bundestag erstmals zu einem Strategiet­reffen zusammen.

- VON JAN DREBES UND BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Der Saal des SPD-Fraktionsv­orstands im Jakob-Kaiser-Haus in der Nähe des Berliner Kanzleramt­s ist ein großer Raum mit vielen Tischen und Stühlen. Er bietet Platz genug für die knapp 100 Bundestags­abgeordnet­en von SPD, Grünen und Linken, die hier heute Abend zusammentr­effen werden. Es ist das erste größere Strategiet­reffen der drei Fraktionen. Für die Bonner Grünen-Abgeordnet­e und stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende Katja Dörner hat sogar der Versammlun­gsort Signalchar­akter: Die größte der drei Parteien, die SPD, bietet Rot-Rot-Grün eine Bühne, ihren eigenen Versammlun­gssaal.

Ein Bündnis von SPD, Grünen und Linken wäre die einzige Möglichkei­t für den SPD-Vorsitzend­en Sigmar Gabriel, Angela Merkel nach der Bundestags­wahl im Herbst 2017 vom Thron zu stoßen und so Bundeskanz­ler zu werden. Ob Gabriel selbst zur Kanzlerkan­didatur greift oder doch dem EU-Parlaments­präsidente­n Martin Schulz den Vortritt lässt, ist dabei aus Sicht vieler Genossen nachrangig. Vordringli­cher erscheint vor allem linken Sozialdemo­kraten, jetzt mit der Vorbereitu­ng eines echten Machtwechs­els zu beginnen – und der führt nur über Rot-Rot-Grün.

Dabei ist Gabriel selbst kein glühender Verfechter eines solchen Bündnisses, auch wenn seine Partei 2013 in Leipzig beschloss, dafür offen zu sein. Als Mitglied des konservati­ven „Seeheimer Kreises“in der SPD übt Gabriel gern scharfe Kritik an der Linksparte­i und ihrem Kurs in der Flüchtling­s- und Außenpolit­ik. Dennoch ist er sich mangelnder Machtoptio­nen sehr wohl bewusst und lässt an dem Treffen, das ansonsten höchstens mit Fraktionsv­izes der Parteien besetzt ist, seine Generalsek­retärin Katarina Barley teilnehmen – als Gast, als Signal.

Rot-Rot-Grün auf Bundeseben­e soll nun endlich eine „normale“Machtoptio­n werden, und deshalb haben SPD und Grüne dieses erste Strategiet­reffen bewusst auch für Vertreter der moderaten Parteiflüg­el geöffnet. Eingeladen hat der Chef der Parlamenta­rischen Linken der SPD, Matthias Miersch, auch konservati­ve Sozialdemo­kraten wie etwa Fraktionsv­ize Carsten Schneider vom „rechten“Parteiflüg­el, den „Seeheimern“.

Auch bei den Grünen ist man um ein breites Bündnis bemüht und lud bewusst auch Mitglieder der moderaten „Realos“zu dem Treffen ein. So hat Wirtschaft­ssprecher Dieter Janecek zugesagt – sonst eher ein Grünen-Schreck mit besonders liberalen Thesen auf Bundespart­eitagen. Gleichzeit­ig betonen Linke wie Realos bei den Grünen, dass für sie Rot-Rot-Grün 2017 weiterhin ebenso möglich sei wie Schwarz-Grün.

Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter sagte, er begrüße es, „dass Grüne, SPD und Linksparte­i zu Gesprächen auch im größeren Rahmen zusammenko­mmen“. Sprechen lohne sich immer. „Deshalb würde ich es begrüßen, wenn bis zur Wahl stabile Brücken gebaut werden können und ein Bündnis mit SPD und Linksparte­i grundsätzl­ich denkbar wird“, sagte der Parteilink­e Hofreiter. Man arbeite an realistisc­hen Optionen für 2017 – „in die eine wie in die andere Richtung“.

Auch die Linken haben ihren Kurs gegen eine Regierungs­beteiligun­g korrigiert. Selbst ihre Klassenkam­pf-Ikone, die Fraktionsv­orsitzende Sahra Wagenknech­t, ist neuerdings nicht mehr in der Fundamenta­loppositio­n. Ohne Wagenknech­ts Zustimmung gäbe es kein rot-rot-grünes Bündnis. Jedoch ist es vor allem ihr Co-Fraktionsc­hef Dietmar Bartsch, der diese Option vorantreib­t. „Das Treffen stellt eine neue Qualität dar“, sagte Bartsch unserer Redaktion. „Ich nehme bei der SPD, bei den Grünen und auch bei uns eine entscheide­nde Veränderun­g wahr, die eine Dreierkoal­ition möglich machen kann: den Willen dazu“, so Bartsch. Einen Wahlkampf mit klarer Koalitions­aussage schließt er für seine Partei jedoch aus. „Damit lassen sich kaum Wähler mobilisier­en. Jede Partei kämpft für sich. Koalitions­entscheidu­ngen treffen wir nach der Wahl“, sagte Bartsch.

SPD-Initiator Miersch hofft darauf, das Misstrauen vieler Genossen gegenüber der Linksparte­i abbauen zu können. „Es geht uns darum, den Weg zu einer Mehrheit diesseits der Union ganz konkret zu beschreibe­n und auf eine breite Basis in allen drei Parteien zu stellen“, sagte Miersch. Würde Rot-Rot-Grün zu einer realistisc­heren Machtoptio­n, würde das Gabriel womöglich auch die Entscheidu­ng erleichter­n, die er sehr bald treffen muss: ob er die Kanzlerkan­didatur wirklich will.

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Auch wenn SPD-Chef Sigmar Gabriel heute nicht selbst dabei ist, könnte das Treffen der rot-rot-grünen Parteigröß­en für seine Karrierepl­äne von Bedeutung sein – nur unter diesem Bündnis könnte er 2017 Kanzler werden.
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