Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Es ist nun Zeit für einen Wechsel“

Nach 37 Jahren im Parlament und nach zwölf Jahren als dessen Chef tritt Bundestags­präsident Norbert Lammert nicht wieder an.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Norbert Lammert will mit 69 weder Parlaments­präsident sein noch im Bundestag sitzen. Einen Monat vor seinem 68. Geburtstag hat der Bochumer angekündig­t, im nächsten Jahr nicht erneut für die CDU anzutreten. „Reiflich“habe er sich diesen Schritt überlegt, schrieb er seinem CDU-Kreisverba­nd und NRW-CDU-Chef Armin Laschet. Aber nun sei es „Zeit für einen Wechsel“. Er nehme dann „Abschied von der aktiven Politik“.

Lammert erinnerte in dem Brief selbst daran, am Ende der Wahlperi- ode 37 Jahre lang dem Bundestag angehört zu haben, zusammen mit den fünf Jahren im Bochumer Stadtrat somit über vier Jahrzehnte für die CDU Mandate übernommen zu haben, darunter dreimal als Spitzenkan­didat für die Christdemo­kraten in NRW.

Dass die CDU mit Lammert punkten konnte, hängt mit seinem herausrage­nden Renommee als Parlaments­präsident zusammen. Wo immer er das Ansehen oder die Beteiligun­gs- und Mitwirkung­srechte des Bundestage­s und seiner Mitglieder geschmäler­t sah, grätschte er dazwischen, und zwar ohne Ansehen der Person. Erst kürzlich rief er seine eigene CDU-Kanzlerin zur Ordnung, weil sie mit Unionsfrak­tionschef Volker Kauder während einer Rede in der ersten Reihe sprach – und schickte sie in den hinteren Teil des Saales.

Im Interesse des Parlamenta­rismus legt er sich auch mit der eigenen Partei an. So erteilte er in der Auseinande­rsetzung um Euro-Rettungssc­hirm gegen den Willen der Fraktionsf­ührung auch „Abweichler­n“in den eigenen Reihen das Wort, um die Debatte lebendig zu halten und ein breiteres Meinungssp­ektrum sichtbar werden zu las- sen. Vor diesem Hintergrun­d sind Minderheit­enrechte bei ihm grundsätzl­ich in guten Händen.

Das macht Lammert beliebt über die Reihen der jeweiligen Koalition hinaus. Bei seiner zweiten Wiederwahl als Bundestags­präsident erzielte er 94,6 Prozent – und damit auch mindestens 90 Stimmen aus dem Lager der Opposition. Klare Worte sind sein Markenzeic­hen, auch wenn der Bäckersohn, Sozialwiss­enschaftle­r und Honorarpro­fessor mitunter für manchen Geschmack etwas zu sehr an seinen Formulieru­ngen drechselt. Die zuweilen ironisch-kurzweilig­en Inter- ventionen tragen jedenfalls zur Auflockeru­ng des zuweilen zähen parlamenta­rischen Geschehens bei.

„Ich habe es immer als Ehre und Privileg empfunden, meinen Beitrag zur Entwicklun­g unseres Landes leisten zu dürfen“, schrieb Lammert seinen Parteifreu­nden. Die Vergangenh­eitsform ein Jahr vor dem Ausscheide­n ist für einen so exakt formuliere­nden Politiker ungewöhnli­ch. Offenbar wollte er damit nachdrückl­ich klarmachen, dass er auch für das Amt des Bundespräs­identen nicht zur Verfügung steht, auch wenn sich ihn viele an dieser Stelle wünschen.

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FOTO: DPA Norbert Lammert (CDU) bei einer Bundestags­sitzung in Berlin.

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