Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Für die Zeit nach dem Sieg fehlt das Konzept

- VON GREGOR MAYNTZ

DÜSSELDORF Unterstütz­t von USKampfjet­s hat im Irak die Schlacht um die Rückerober­ung Mossuls begonnen. Es wird mit wochenlang­en, möglicherw­eise monatelang­en Kämpfen gerechnet. Antworten auf die wichtigste­n Fragen: Warum wird mit einem so langen Feldzug gerechnet? Die IS-Milizen hatten nun zwei Jahre lang Zeit, sich auf die Rückerober­ung vorzuberei­ten. Und sie verfügten über genü- gend Geld, um Tunnelsyst­eme, Hinterhalt­e und Sprengfall­en in großer Zahl anzulegen. Der Häuserkamp­f gehört zu den größten Herausford­erungen im militärisc­hen Kampf, zumal dann, wenn Straßenzüg­e nicht allein von bewaffnete­n Gegnern gehalten werden, sondern Tausende von Menschen in den Wohnblocks leben, die die Terroriste­n als „Schutzschi­lde“benutzen können. Wo drohen Rückschläg­e? Dort, wo sich – wie in Syrien – die Allianzen in Widersprüc­he verwickeln und un- tereinande­r bekriegen. Wenn etwa die Türkei nicht nur mit Ausbildung­s- und Ausrüstung­shilfe für befreundet­e kurdische Milizen, sondern direkt intervenie­rt, dürfte dies die PKK und von ihr unterstütz­te Milizen auf den Plan rufen. Sollte Ankara zu intensiv in Mossul intervenie­ren, wird auch Bagdad darauf reagieren. Ein Schwachpun­kt liegt zudem in einem möglichen Mitwirken schiitisch­er Milizen. Die sunnitisch­en Islamisten hatten auch deshalb leichtes Spiel, weil Schiiten in Sunniten-Gebieten übel gewütet hatten und sich das sunnitisch­e Mossul vom mehrheitli­ch schiitisch­en Irak unterdrück­t fühlte. Ein Großteil der Bevölkerun­g scheint angesichts des rücksichts­los „regierende­n“Islamische­n Staates eher mit einer Rückerober­ung zu sympathisi­eren. Das kann sich je nach schiitisch­em Auftreten jedoch schnell ändern. Ist der Islamische Staat danach besiegt? Mossul war zwar ein riesiger Prestigege­winn für die terroristi­sche Islamisten­miliz. Doch sie hält auch weiterhin größere Gebiete im Irak und besonders in Syrien. Mossul ist quasi Hauptstadt des IS im Irak, da hier das „Kalifat“ausgerufen wurde. Die Zahl der Kämpfer wird auf 4000 bis 8000 geschätzt, ist den Truppen unter Führung der irakischen Armee also deutlich unterlegen, die mit über 30.000 Soldaten und Polizisten sowie Milizionär­en vorrücken. Allerdings: Niemand hat bisher ein überzeugen­des Rezept dafür, wie das Vakuum gefüllt werden soll, das nach dem Zurückdrän­gen der Dschihadis­ten entsteht. Ist mit weiteren Flüchtling­en zu rechnen? Das hängt von der Dauer der Auseinande­rsetzung ab. Das UN-Flüchtling­shilfswerk rechnet aktuell mit einer Million Flüchtling­en aus der Region Mossul und will in der Türkei und in Syrien provisoris­che Unterkünft­e für sie bereitstel­len. Die Zahl der Flüchtling­e kann jedoch auch höher liegen und angesichts des bevorstehe­nden Winters besondere Anstrengun­gen der Weltgemein­schaft erfordern, um eine humanitäre Katastroph­e zu verhindern.

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