Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Handwerk braucht mehr Nachwuchs

Die Handwerksb­etriebe im Rhein-Kreis Neuss haben acht Prozent weniger Ausbildung­sverträge abgeschlos­sen als im Vorjahresz­eitraum. Oft mangelt es schlicht an Lehrstelle­nbewerbern. Dabei bietet das Handwerk gute Perspektiv­en.

- VON ANDREAS BUCHBAUER

RHEIN-KREIS Die Qual der Wahl kann Luxus sein. Thomas Nink, Obermeiste­r der Maler- und Lackierer-Innung im Rhein-Kreis Neuss, kennt eine Menge Kollegen, die bei der Suche nach Auszubilde­nden im Handwerk gerne überhaupt eine Wahl hätten. Im eigenen Familienbe­trieb in Kaarst, den er längst an seine Töchter Sabine Nink und Stefanie Tolksdorf (geborene Nink) weitergege­ben hat, ist das nicht anders. Natürlich weiß Nink, wie mühsam die Suche nach Nachwuchsk­räften im Handwerk sein kann. „Die Zahl der Bewerber ist oft so gering, dass gar keine vernünftig­e Auswahl möglich ist“, sagt er. Und bei der Qualität der Bewerber mangele es mitunter an Grundlegen­dem. „Im Betrieb meiner Töchter wurden Schnupperw­ochen angeboten, an denen zwei junge Leute teilnahmen: Der erste kam nicht mehr, weil ihm der Weg von Dormagen nach Kaarst zu weit war – und der zweite ist einfach ganz ohne Begründung nicht mehr erschienen.“Dabei hätte es im Malerbetri­eb durchaus berufliche Perspektiv­en gegeben.

Das Problem ist kein Einzelfall. Im Rhein-Kreis wurden laut Kreishandw­erkerschaf­t in den ersten neun Monaten dieses Jahres 470 Lehrverträ­ge im Handwerk abgeschlos­sen – und damit 41 weniger (rund acht Prozent) als im Vorjahr. „Uns fehlen durch den demografis­chen Wandel, aber auch durch den zunehmende­n Akademisie­rungswahn schlicht die Lehrstelle­nbewerber in vielen Handwerksb­ereichen“, sagt Klaus Koralewski, stellvertr­etender Hauptgesch­äftsführer der Kreishandw­erkerschaf­t Niederrhei­n.

Zulauf haben in diesem Jahr die Metallbaue­r (von 13 im Vorjahr auf 18), die Dachdecker (von 20 auf 28) und auch die Bäcker (acht auf zwölf) verzeichne­t. Einen Rückgang gab es nach einem Zwischenho­ch im ver- gangenen Jahr bei den Anlagenmec­hanikern Sanitär-Heizung-Klimatechn­ik (von 74 auf 66), den Elektronik­ern (67 auf 49) und den Friseuren (73 auf 52). Bei Abschlüsse­n von Ausbildung­sverträgen bleibt die Situation bei den Malern und Lackierern (23) zwar stabil. Dennoch muss sich laut Thomas Nink etwas än- dern, und zwar vor allem in der Außenwahrn­ehmung. Deshalb setzt die Kreishandw­erkerschaf­t zum Beispiel auf die Mitwirkung an Projekten wie „Wirtschaft pro Schule“, deren Ziel es ist, Schülern konkret die Anforderun­gen und Perspektiv­en im Handwerk aufzuzeige­n – von der dualen Ausbildung bis hin zum trialen Studium – Lehre, Meisterbri­ef und Bachelor in einem. Zudem gilt es, am Image des Handwerks zu arbeiten und auf Chancen aufmerksam zu machen. „Gerade die technisch anspruchsv­ollen Handwerksb­erufe wie Elektronik­er, Kfz-Mechatroni­ker oder Anlagenmec­haniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechn­ik bieten sehr sichere Arbeitsplä­tze und hervorrage­nde Zukunftspe­rspektiven“, erklärt Koralewski. Hinzu komme, dass viele Betriebe schon jetzt nicht nur gut ausgebilde­te Fachkräfte suchen, sondern auch Nachfolger für die Unternehme­nsführung. Denn nicht jeder hat das Glück, seinen Betrieb wie Thomas Nink innerhalb der Familie übergeben zu können. „Das zieht sich durch nahezu alle Handwerksb­ranchen“, betont Koralewski. Eine handwerkli­che Ausbildung biete eine hervorrage­nde Basis für eine spätere Selbststän­digkeit.

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NGZ-FOTO: ANJA TINTER Sabine Nink (l.) und ihre Schwester Stefanie Tolksdorf (mit Tochter Anna) haben den Betrieb von ihrem Vater Thomas Nink (mit Sabines Kind Leo) übernommen. Die Suche nach Auszubilde­nden ist jedoch nicht einfach.

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