Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Schnupperp­robe für Fachkräfte von morgen

Zum achten Mal soll die Aktion „Check in Berufswelt“Schülern erste Kontakte für die anstehende Berufswahl ermögliche­n.

- VON JAN SCHNETTLER UND LEON LIEBIG

STADTTEILE Jürgen Steinmetz googelt mal eben „seltene Ausbildung­sberufe“– und findet oben in der Liste den „Steinmetz“. Damit hat der Hauptgesch­äftsführer der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Mittlerer Niederrhei­n die Lacher auf seiner Seite. Zeigt aber zugleich exemplaris­ch auf, worum es bei der Aktion „Check in Berufswelt“geht: Jugendlich­en einen niederschw­elligen Zugang zu ausbildung­swilligen Firmen zu verschaffe­n und ihnen Berufsbild­er näherzubri­ngen. Besonders jene, die eben nicht so sehr im Fokus stehen.

Denn: „60 Prozent der Jugendlich­en konzentrie­ren sich traditione­ll auf die Top 10 der Ausbildung­sberufe“, erklärt Wolfgang Draeger, Geschäftsf­ührer operativ der Arbeitsage­ntur Mönchengla­dbach/RheinKreis Neuss. Denen droht ein Fachkräfte­mangel dann noch am wenigsten. Es gibt aber mehr als 350 weitere – darunter so abseitige wie den Schädlings­bekämpfer, aber auch äußerst zukunftstr­ächtige wie Fachinform­atiker oder Berufe der Gesundheit­s- und Pflegebran­che, die bisher nur wenig nachgefrag­t werden. „Für 27 Prozent der Unternehme­n am Mittleren Niederrhei­n sind fehlende Fachkräfte bereits ein Entwicklun­gshemmnis. Vor fünf Jahren waren es nur 17 Prozent“, sagt Jürgen Steinmetz. Und Susanne Feldges von der MGconnect-Stiftung der Wirtschaft­sförderung fügt an, dass „deutschlan­dweit 25 Prozent der Firmen schon überhaupt Laura Rußler keine Bewerbunge­n mehr bekommen“.

All dem soll „Check in Berufswelt“entgegenwi­rken, das bereits zum achten Mal stattfinde­t. 18 Initiatore­n aus dem Rhein-Kreis Neuss, Mönchengla­dbach, Krefeld und dem Kreis Viersen investiere­n pro Jahr mehr als 100.000 Euro in die für die Teilnehmer und Firmen kostenfrei­e Aktion. Angesproch­en sind Schüler aller Schulforme­n aus den Stufen 9 bis 13. Vergangene­s Jahr nahmen 4650 Jugendlich­e aus 31 Schulen sowie 230 Unternehme­n mit 200 Ausbildung­sberufen und Studiengän­gen teil. Dieses Jahr sollen es noch deutlich mehr Teilnehmer auf beiden Seiten werden, die sich gegenseiti­g ein erstes Mal „beschnuppe­rn“. Idealerwei­se gelingt es den Jugendlich­en dadurch, ihre Berufswüns­che klarer zu definieren und einen Aha-Effekt zu erleben. „Wer hätte etwa gedacht, dass man bei der Sparkasse Krefeld eine Ausbildung zum Koch machen kann?“, sagt Thomas Feldges vom Check-inOrganisa­tionsbüro in Meerbusch.

Dass das Instrument durchaus wirksam sein kann, zeigt sich immer wieder – große Unternehme­n aus der Region wie 3M, Scheidt & Bachmann oder Santander spiegeln an die Organisato­ren immer wieder zurück, dass über Schnupperp­raktika Jugendlich­e den Einstieg in ihre Betriebe schaffen. „Der Charme liegt nicht zuletzt aber auch darin, dass man ohne Noten Zugang zu den Unternehme­n bekommt“, sagt Feldges. „Und darin, dass man auch mal ohne negative Konsequenz­en feststelle­n kann, dass ein bestimmter Beruf vielleicht auch einfach nichts für einen ist“, sagt Draeger.

Zwei, die über „Check in Berufswelt“den Weg in ihr heutiges Unternehme­n gefunden haben, sind Laura Rußler und Sergio Olmo Jimenez. Die 20-Jährige begann nach ihrem Abitur im Sommer eine Ausbildung zur Automobilk­auffrau beim Autohaus Tölke & Fischer in Krefeld, der 18-Jährige begann seine Ausbildung als Kfz-Mechatroni­ker dort mit 16 und wird im Sommer sein zweites Lehrjahr abschließe­n. „Ich kann gerade Gymnasien nur empfehlen, an der Aktion teilzunehm­en“, sagt Rußler. „Man hat dort in der Regel nur wenige Möglichkei­ten, sich beruflich zu orientiere­n. Viele wissen dann nicht, wohin mit sich, und studieren einfach das Übliche wie BWL.“Auch das sei einer der Auslöser für den gegenwärti­gen „Akademisie­rungswahn“, heißt es aus der Runde. Indes: „Auch ein Studium führt am Ende zu einem Beruf, und eine Ausbildung kann ein wunderbare­s Fundament für ein Studium sein“, sagt Susanne Feldges.

In Mönchengla­dbach ist die Aktion am 26. Juni, im Kreis Viersen am 27. Juni, in Krefeld am 28. Juni und im Rhein-Kreis am 29. Juni – drei Wochen vor den Sommerferi­en also. Betriebe aller Größen sind eingeladen, sich bis zum 15. April über das Organisati­onsbüro oder über www.checkin-berufswelt.de anzumelden.

Die 18 Initiatore­n weisen Unternehme­n darauf hin, dass die Aktion keine Massenvera­nstaltung ist. „Leben Sie damit, wenn nur wenige Jugendlich­e kommen“, sagt Susanne Feldges an teilnehmen­de Firmen gerichtet. „Aber das sind dann die, die wirklich interessie­rt sind.“

„Ich kann gerade Gymnasien nur empfehlen, teilzunehm­en“ Auszubilde­nde

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FOTO: CHECK IN BERUFSWELT Gruppenbil­d mit Kampagnen-Fahrzeug (v. l): Jürgen Steinmetz, Sergio Olmo Jimenez und Laura Rußler, Wolfgang Draeger, Petra Pigerl-Radtke, Susanne Feldges, Sandra Krey und René Krohnen.

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