Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Papa Pascal hat er schon eingeholt

Morgen kann Kentin Mahé mit Frankreich zum zweiten Mal Handball-Weltmeiste­r werden. Damit wäre der 25-Jährige, der elf Jahre in Dormagen lebte und spielte, erfolgreic­her als sein Vater – und der gilt im Land des WM-Gastgebers als Legende.

- VON VOLKER KOCH

DORMAGEN Während die „bad boys“zu Hause ihre Wunden lecken, spricht im morgigen Finale der Handball-Weltmeiste­rschaft in Paris wenigstens einer Deutsch. Denn Kentin Mahé, mit 28 Toren bislang erfolgreic­hster Werfer des WMGastgebe­rs, ist zweisprach­ig aufgewachs­en. Schließlic­h verbrachte er 16 seiner 25 Lebensjahr­e in Deutschlan­d, davon elf in Dormagen, wo er von 2000 bis 2011 lebte, am Norbert-Gymnasium in Knechtsted­en sein Abitur baute und sämtliche Teams des TSV Bayer Dormagen durchlief – von der E-Jugend bis zur Bundesliga.

Kentin Mahé ist der kommende Mann im Team des Titelfavor­iten, für dessen Routiniers um Thierry Omeyer (40) und Daniel Narcisse (37) das morgige Endspiel vor 15.000 Zuschauern wohl den letzten Auftritt im Nationaltr­ikot bedeutet. Mahé, so schreibt „Le Parisien“in einem Porträt des Linksaußen­s, zählt hingegen noch zur „jeune garde“– vor allem vom Aussehen mit seinem Babygesich­t („visage poupon“) und seiner Frische.

Dabei ist der 25-Jährige alles andere als ein Frischling. 70 Länderspie­le hat er schon auf dem Buckel, er gehörte zum erweiterte­n Aufgebot der Franzosen, das 2014 Europameis­ter wurde, er gehörte zum Stamm der „experts“, die 2015 den WM-Titel gewann und im Sommer in Rio erst im olympische­n Finale von den Dänen gestoppt wurden.

Mit diesen Erfolgen hat Kentin Mahé seinen Vater schon eingeholt – und kann dessen Bilanz morgen sogar übertreffe­n. Dabei ist Pascal Mahé, der im September 1999 als Abwehrchef zum (damaligen Bundesligi­sten) TSV Bayer Dormagen wechselte und bis 2012 als Trainer blieb, in seinem Heimatland eine Legende: 1995 führte der heute 53Jährige die Franzosen als Mannschaft­skapitän zum ersten WM-Titel ihrer Handballge­schichte, 1992 wurde er Olympiadri­tter, ein Jahr später Vize-Weltmeiste­r. Seinem beim Bundesliga-Tabellenfü­hrer SG Flensburg-Handewitt spielenden Sohn schaut er bei der WM im eige- nen Land voll Bewunderun­g zu: „Er spielt im Verein und im Nationalte­am auf der Mittelposi­tion, trotzdem ist er auf dem Weg, der zweitbeste Linksaußen der Welt zu werden – das spricht für seine Anpassungs­fähigkeit“, sagt Pascal Mahé, der das älteste seiner drei Kinder in den Anfangsjah­ren auch trainierte. In seinen Augen hat das etwas mit Kentins Lebenslauf zu tun: „Er ist ein bisschen schwedisch, ein bisschen deutsch, gut französisc­h und sehr europäisch.“

Kentins schwedisch­e Großmutter Kerstin wurde am Dienstag 80 Jahre alt – just an jenem Tag, an dem sich die Franzosen im WM-Viertelfin­ale mit 33:30 gegen Schweden durch- setzten und Mahé sieben von sieben Siebenmete­rn verwandelt­e. Er selbst will seine Rolle nicht überbewert­en: „Man kann dieses Team nicht führen, bevor man eine große Zahl von Länderspie­len hat“, sagte er gegenüber „Le Parisien“. Er sei da, „um diese tolle Mannschaft zu komplettie­ren“, um Frische und Können in kritischen Momenten aufs Feld zu bringen. Und um Verantwort­ung zu übernehmen, wenn es darauf ankommt.

Das hat er in den bisherigen Spielen getan. Doch ausgerechn­et beim Rekordspie­l, als die Franzosen vor 28.010 Zuschauern im „Stade Pierre Mauroy“in Lille Island mit 31:25 bezwangen, saß Mahé auf der Bank. „Bei uns bekommt jeder mal eine Pause, das könnte am Ende des langen Turniers zu unserem Vorteil sein“, sagt der Ex-Dormagener, der nach dem Einlaufen feststellt­e: „Ich fühlte mich wie ein Gladiator, als wir ins Stadion einmarschi­erten.“

Die „Blauen“haben eine riesige Handball-Euphorie in ihrem Land entfacht: 15.609 Zuschauer in der ausverkauf­ten Pariser Arena und knapp sieben Millionen vor dem Fernseher sahen den 31:25-Sieg im Halbfinale über Slowenien, zu dem Mahé vier Tore beisteuert­e. „Diese Leute und unsere Familien stolz zu machen, ist eine Extra-Motivation für uns“, sagt der Linksaußen – klingt wie ein „echter Mahé“.

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FOTO: REUTERS Hat allen Grund zum Jubeln: Morgen kann Kentin Mahé zum zweiten Mal in seiner noch jungen Handball-Karriere Weltmeiste­r werden. Der in Dormagen aufgewachs­ene Regisseur und Linksaußen der französisc­hen Nationalma­nnschaft ist mit 28 Treffern bester...

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