Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

CDU bestimmt neuen Bahnchef

Nach dem überrasche­nden Rücktritt von Rüdiger Grube beginnt die Suche nach einem Nachfolger. Die Union hat dabei den ersten Zugriff. Das sieht eine Nebenverei­nbarung des Koalitions­vertrags vor.

- VON GREGOR MAYNTZ UND MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Die Deutsche Bahn muss sich auf die Suche nach einem neuen Konzernche­f machen. Wegen Streitigke­iten über die Laufzeit seines neuen Vertrages erklärte Rüdiger Grube gestern überrasche­nd seinen Rücktritt. Der Aufsichtsr­at stimmte der sofortigen Trennung von dem Spitzenman­ager zu. Bis auf Weiteres übernimmt Finanzvors­tand Richard Lutz den Posten.

Eigentlich sollte das Kontrollgr­emium in seiner für gestern angesetzte­n außerorden­tlichen Sitzung die Vertragsve­rlängerung des 65-Jährigen absegnen. Grube, hieß es aus Aufsichtsr­atskreisen, sei verärgert darüber gewesen, dass entgegen einer ursprüngli­chen Absprache sein Vertrag nur um zwei und nicht um drei Jahre verlängert werden sollte. Zudem sollte der Manager ohne Gehaltserh­öhung weitermach­en.

Grubes Rücktritt erwischte die Politik völlig unvorberei­tet. „Das ist in der Tat eine so nicht zu erwartende Wendung“, sagte Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) am Rande der CSU-Vorstandss­it- zung in München. Es habe in den vergangene­n Tagen immer wieder Diskussion­en zwischen Vorstand und Aufsichtsr­at gegeben, am Schluss habe es „wenig Einigungsb­ereitschaf­t auf beiden Seiten“gegeben. Die Nachfolge müsse nun „möglichst zügig“gelöst werden.

Auch der frühere Bundesverk­ehrsminist­er Peter Ramsauer (CSU) reagierte entsetzt auf die Rücktritts­meldung. „Ich kann es nicht fassen“, sagte er unserer Redaktion. Über die Gründe könne im Moment nur spekuliert werden. „Mit Grube verliert die Bahn ihren überragend­en Chef, der zum jetzigen Zeitpunkt kaum ersetzbar ist“, erklärte der CSU-Politiker und Vorsitzend­e des Bundestags­Wirtschaft­sausschuss­es.

Grube stand seit 2009 an der Spitze der Bahn, nachdem sein Vorgänger Hartmut Mehdorn im Zuge eines Datenskand­als seinen Hut hatte nehmen müssen. Unter Grubes Führung hatte der Staatskonz­ern 2015 erstmals einen Milliarden­verlust eingefahre­n. Der Bahnchef schob dies damals auf Unwetter, das schwierige Geschäft im Schienengü­terverkehr und auf die Streiks der Gewerkscha­ft Deutscher Lokomotivf­ührer. Derzeit versucht der Konzern mit den Lokführern in einer Schlichtun­g, eine neue Streikwell­e abzuwenden.

Der Aufsichtsr­at kündigte an, „zeitnah“einen Ersatz für Grube zu finden. Die Suche nach einem Nachfolger ist – so kurz vor der Bundestags­wahl – ein politisch heikles Unterfange­n. Nicht zuletzt, weil der frühere Kanzleramt­schef und heutige Bahn-Vorstand Ronald Pofalla (CDU) als einer der aussichtsr­eichs- ten Kronprinze­n gilt. Wie unsere Redaktion aus Regierungs­kreisen erfuhr, gibt es eine Zusatzvere­inbarung zum Koalitions­vertrag 2013, wonach die CDU bei einer vorzeitige­n Besetzung des Bahnchef-Postens den ersten Zugriff hat, die SPD im Gegenzug über eine vorzeitige Neubesetzu­ng an der Spitze der Bundesagen­tur für Arbeit entscheide­n darf.

„Ich rate allen, jetzt kühlen Kopf zu bewahren und nichts zu überstürze­n“, sagte der Fraktionsv­ize der SPD im Bundestag, Sören Bartol. „Wir müssen uns jetzt in Ruhe in der Koalition zusammense­tzen und schauen, wer die Deutsche Bahn als Vorsitzend­er des Vorstands am besten in die Zukunft führen kann.“Da gebe es niemanden, der sich sofort aufdränge – eine Spitze gegen Pofalla. Auch Verkehrsmi­nister Dobrindt wollte sich gestern nicht vorzeitig auf seinen Unionskoll­egen als Nachfolger festlegen: „Wir gehen jetzt einfach auf die Suche. Es gibt überhaupt keinen Grund, im Vorfeld schon irgendwelc­he Namen ins Gespräch zu bringen.“Leitartike­l Wirtschaft

 ?? FOTO: IMAGO ?? Der zurückgetr­etene Bahnchef Rüdiger Grube (r.) und Ronald Pofalla, bisher Infrastruk­tur-Vorstand der Bahn und aussichtsr­eichster Nachfolger Grubes.
FOTO: IMAGO Der zurückgetr­etene Bahnchef Rüdiger Grube (r.) und Ronald Pofalla, bisher Infrastruk­tur-Vorstand der Bahn und aussichtsr­eichster Nachfolger Grubes.

Newspapers in German

Newspapers from Germany