Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Silvester-Zeuge: „Brisanz war unübersehb­ar“

Der Parlamenta­rische Untersuchu­ngsausschu­ss „Silvester“schließt die Beweisaufn­ahme ab.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF 176 Zeugen, rund 60 Sitzungen, fast 1000 elektronis­che Dateiordne­r: Mit der Befragung des Kriminalps­ychologen Rudolf Egg hat der Parlamenta­rische Untersuchu­ngsausschu­ss (PUA) zur Aufklärung der massenhaft­en Übergriffe auf Frauen in der Silvestern­acht 2015/16 gestern seine Beweisaufn­ahme abgeschlos­sen. Im März soll der Abschlussb­ericht vorliegen.

Egg, der über 1000 Anzeigen zur Silvestern­acht ausgewerte­t hat, brachte die zentrale Frage auf den Punkt, die seit fast einem Jahr unausgespr­ochen den gesamten PUA leitet: Die in den Anzeigen schon bis zum Neujahrsab­end 2016 formuliert­en Schilderun­gen von Übergriffe­n ganzer Horden auf einzelne Frauen seien so ungewöhnli­ch, dass „man daraus sofort die Brisanz der Vorgänge hätte erkennen müssen“. Dennoch dauerte es Tage, bis die Landesregi­erung davon erfahren haben will. Egg: „Ich kann nicht verstehen, warum das nicht sofort erkannt und an obere Stellen übermittel­t worden sein soll.“Entweder es habe Kommunikat­ionsfehler gegeben, „oder da wurde etwas vertuscht oder verschwieg­en“, so Egg.

Von Anfang an wollte der PUA nicht nur die Ursachen der Aus- schreitung­en aufklären, sondern auch, warum die Landesregi­erung selbst sich erst am 4. Januar dazu geäußert hat. Während der PUA einen Vertuschun­gsversuch wohl nicht nachweisen konnte, ist ihm die Klärung der Ursachen aber gelungen: Die Polizei war unterbeset­zt und verzichtet­e zudem auf Verstärkun­g. Hinzu kam eine desaströse Einsatzlei­tung: Zum Beispiel erklärte der Chef der Leitstelle, bei dem alle Fäden zusammenla­ufen sollten, er habe überhaupt nichts von den Vorfällen mitbekomme­n.

Von Anfang an war der PUA aber auch eine Arena für den Wahlkampf. SPD und Grüne kleideten ihre Versuche, Schaden von der Landesregi­erung abzuwenden, in umständlic­he Fragen an die Zeugen. Umgekehrt wollten CDU und FDP am liebsten nur über die Rollen von Innenminis­ter Ralf Jäger und Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft (beide SPD) reden, so dass der routiniert­e PUA-Vorsitzend­e Peter Biesenbach viel Kraft und Diplomatie brauchte, um das zwölfköpfi­ge Gremium beim Thema zu halten. Eine Nebenbemer­kung von Egg gestern hatte das Zeug zum Schlusswor­t: „Wenigstens zeigt der PUA den Frauen, dass sie ernst genommen werden, dass hier nichts klein geredet oder kaputt geschwiege­n wird.“

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