Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Trump attackiert Deutschland
Der Ton zwischen den USA und Europa wird schärfer: EU-Ratspräsident Tusk zählt Amerika inzwischen zu den größten Risiken für Europa. Washington wirft Deutschland „Ausbeutung“vor.
WASHINGTON/BRÜSSEL/BERLIN (RP) Die neue US-Regierung unter Präsident Donald Trump knöpft sich nach Mexiko und China nun mit Deutschland den nächsten wichtigen Handelspartner vor. Trump ließ seinen Chef-Wirtschaftsberater Peter Navarro in der „Financial Times“erklären, Deutschland nutze den niedrigen Eurokurs für Handelsvorteile auf Kosten der USA und seiner europäischen Partner aus. Zudem sei Deutschland eines der Haupthindernisse für ein Handelsabkommen zwischen der EU und den USA. Bundeskanzlerin Angela Merkel wies die Anschuldigungen umgehend zurück: Deutschland achte die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank und könne daher den Eurokurs nicht beeinflussen. Überdies trete Deutschland für einen fairen Wettbewerb und Handel ein.
Trump hatte schon im Wahlkampf angekündigt, mit Abschottungsmaßnahmen dafür zu sorgen, dass Arbeitsplätze nicht ins Ausland abwandern, sondern in den USA neu entstehen. Navarro bezeichnete nun den Euro als „grob unterbewertet“. Er wirke wie eine „implizite Deutsche Mark“. Der Wirtschafts- berater warf den Deutschen vor, die EU-Partnerländer wie die USA „auszubeuten“. EU-Politiker gehen zunehmend auf Distanz zu Trump. Vor dem EU-Gipfel am Freitag in Malta zählte EU-Ratspräsident Donald Tusk „besorgniserregende Bekanntmachungen der neuen amerikanischen Regierung“neben einer aggressiven Politik Russlands und Chinas sowie der Bedrohung durch Islamisten zu den größten außenpolitischen Risiken der EU.
Die Proteste gegen Trumps Einreisepolitik gingen vier Tage nach dem Erlass weiter. Daran beteiligte sich auch das Auswärtige Amt in Berlin mit einer offiziellen Note.In den USA kündigten nach dem Bundesstaat Washington auch Massachusetts und der Staat New York einen Gang vor die Bundesgerichte an, um das Einreiseverbot anzufechten. Trump hatte einen 90-tägigen Einreisestopp für Menschen aus den mehrheitlich muslimischen Ländern Syrien, Iran, Irak, Sudan, Somalia, Libyen und Jemen verfügt. US-Heimatschutzminister John Kelly stellte gestern klar, dass Doppelstaatler doch mit ihrem anderen Pass einreisen dürften. Für Sportler soll es bei Wettkämpfen in den USA Ausnahmen geben.
Nach Angaben von Kellys Ministerium wurden bis zum Montag 721 Menschen aus den betroffenen Ländern zurückgewiesen. Dagegen seien 1135 Ausnahmeregelungen getroffen worden für Menschen, die rechtmäßig in den USA wohnen oder ein Visum vorweisen konnten. Das Weiße Haus hatte am Montag noch von 109 Fällen gesprochen, die zu- rückgewiesen worden waren. Diese Zahl beziehe sich nur auf die ersten Stunden, so das Ministerium.
Trump ging zudem rigoros gegen die amtierende Justizministerin Sally Yates vor, weil sie sich kritisch über die Einreiseregelung geäußert und deren Rechtmäßigkeit angezweifelt hatte: Sie wurde entlassen. Trump schrieb auf Facebook, Yates habe „das Justizministerium verraten“, als sie sich geweigert habe, eine Anordnung durchzusetzen, die dem Schutz der Bevölkerung diene. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) bezeichnete den Umgang der TrumpAdministration mit regierungsinternen Kritikern gegenüber unserer Redaktion als besorgniserregend.
Empörung löste der Fall eines fünfjährigen Jungen iranischer Abstammung aus, der am Wochenende am Flughafen Dulles nahe Washington vier Stunden lang festgehalten worden war. Trumps Sprecher Sean Spicer erklärte, es wäre „irreführend und falsch“anzunehmen, dass aufgrund des Alters oder des Geschlechts einer Person keine Gefahr von ihr ausgehen könne. Leitartikel Wirtschaft