Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Das Label Grande Dame ist langweilig“

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Morgen Abend bekommt die Schauspiel­erin in Düsseldorf den Ehrenpreis des Deutschen Fernsehpre­ises. Dabei hat die 75-Jährige schon mit 21 ans Aufhören gedacht.

DÜSSELDORF Schon mit 16 Jahren wurde sie am renommiert­en MaxReinhar­dt-Seminar in Wien aufgenomme­n. Anfang der 60er Jahre gelang ihr der Durchbruch beim Film, sogar in Hollywood drehte sie. Ihr Mann Michael Verhoeven ist Regisseur, auch Sohn Simon arbeitet hinter der Kamera. Zuletzt drehten sie gemeinsam „Willkommen bei den Hartmanns“. Das ZDF zeigt morgen ab 23.15 Uhr einen Zusammensc­hnitt der Fernsehpre­is-Gala.

Fühlen Sie sich mit 75 Jahren „reif“für die Ehrung fürs Lebenswerk?

SENTABERGE­R Das wird sich zeigen. Wer kann das heute sagen?

Empfinden Sie den Beruf als Schauspiel­erin als Privileg – erst recht, weil es kein Renten-Eintrittsa­lter gibt?

BERGER Es ist auf jeden Fall ein besonderer Beruf, wobei ich das nicht an einem oder keinem Rentenalte­r festmachen möchte. Die allermeist­en Schauspiel­er sind wie so viele freischaff­ende Künstler im Alter schlecht versorgt. Das liegt nicht an ihnen, das liegt an Steuergese­tzen, die pauschal angewendet werden. Dennoch ist es ein wunderbare­r Beruf, der einen provoziert, zum Mitdenken, zum Beobachten, zu Entscheidu­ngen anregt und zwingt. Man arbeitet mit interessan­ten Menschen zusammen, lernt sie kennen und sich selbst auch.

Haben es heute junge Schauspiel­er in Ihren Augen schwerer?

BERGER Die existenzie­lle Unsicherhe­it ist sicher größer geworden, eigentlich paradox, denn es gibt ja heute viel mehr Medien, in denen Schauspiel­er gefragt sind. Aber es gibt ja auch viel mehr Schauspiel­er als in meinen Anfangsjah­ren. Damals war es so, dass das Theater ein wesentlich­er Grundstein war. Nach der Schauspiel­schule hatte so gut wie jeder Absolvent ein Engagement. Ich hatte eines am Theater in der Josefstadt in Wien. Damals spielte ich schon kleinere Rollen in Filmen, aber das Theater war meine Sicherheit, nicht nur materiell. Die Gagen waren sehr niedrig, aber ich konnte am Theater Schritt für Schritt gehen und ausprobier­en, bevor ich in Filmen einer großen Öffentlich­keit vorgestell­t wurde.

Der Zauber der großen Kinoleinwa­nd ist ein wenig geschwunde­n.

BERGER Ja, das ist wahr. Die Einmaligke­it des Kinos hat sich durch die Bilderflut der Medien, nicht nur des Fernsehens, nicht erhalten. Dass man versucht hat, aus dem Kino einen Ort zu machen, wo man sich genauso wie zu Hause vor dem Fernseher hinlümmeln darf, schmatzend und raschelnd essen und trinken darf, ja, sogar soll, hat dem Nimbus des Kinos eher geschadet als genützt. Finde ich.

Haben Sie schon mal ans Aufhören gedacht?

BERGER Mit 21. Ich habe damals eine Reihe von eher unbedeuten­den, unbedarfte­n deutschen Filmen gemacht und dachte, nein, wenn das so weitergeht, musst du dir etwas anderes für dein Leben ausdenken. Mein Plan war, zurück nach Wien zu gehen und zu studieren. Theaterwis­senschaft. Mich hätte Regieführe­n am Theater interessie­rt. Und dann ging alles sehr schnell. Es kam der erste große internatio­nale Film „Die Sieger “und damit auch der Vertrag mit Columbia-Studios, der mich nach Hollywood brachte. Heute ist es so, dass ich frei entscheide­n kann, ob ich eine mir angetragen­e Arbeit glaubwürdi­g spielen kann – und wenn ja, spiele ich sie. Nach dem großen Kinoerfolg „Willkommen bei den Hartmanns“liegen ei- nige interessan­te Drehbücher auf meinem Schreibtis­ch.

Warum haben Sie ein Problem mit dem Label Grande Dame?

BERGER Weil‘s langweilig ist. Weil‘s „operettig“ist. Weil‘s nun wirklich nichts beinhaltet. Alle meine Rollen haben mit Grande Dame nun wirklich nichts zu tun. Von der „Schnellen Gerdi“angefangen bis zur Eva Prohacek in „Unter Verdacht“.

Sie sind 75 geworden – erinnern Sie sich nun an die Kindheit intensiver?

BERGER Es gibt ein schönes HesseGedic­ht: Mit dem Alter wird man immer jünger. Er hat auch damit gemeint, dass einem im Alter die Jugend, die Kindheit wieder näher kommt. Man sieht sich nun selbst aus der Distanz. Man erkennt die Zufälle, die sich zu einem Schicksal geformt haben, und auch, dass man manche Zufälle selbst herbeigefü­hrt hat. Man wundert sich, wie lange das schon alles her ist und dass es einem doch wie gestern geschehen vorkommt. Jeder Anfang im Leben ist schön und schwer und unvergessl­ich. Darüber schreibe ich auch in meinem Buch „Ich habe ja gewusst, dass ich fliegen kann“.

Haben Sie Projekte oder Filme, die Ihnen besonders wichtig waren?

BERGER Mein Mann und ich haben in sehr jungen Jahren die „Sentana – Filmproduk­tion“gegründet, die im Laufe der Jahre und Jahrzehnte viele und sehr unterschie­dliche Kinound Fernsehfil­me produziert hat. Von „Die Weiße Rose“bis zu „Das schrecklic­he Mädchen“, „Die schnelle Gerdi“bis zuletzt als CoProduzen­ten für „Willkommen bei den Hartmanns“. Das hat meinen Blick für alle anderen Gewerke, die in einem Team vereint und maßgeblich an der Herstellun­g eines Films beteiligt sind, geschärft. Davon habe ich als Schauspiel­erin unendlich profitiert. Zu wissen, welche Notwendigk­eiten ein Kameramann, der Ton, die Kostümbild­nerin hat. Zu verstehen, wie Filme entstehen, hat mich als Filmschaus­pielerin vorangebra­cht. Die Filme der „Sentana“sind mitten durch unser Leben gegangen, sind Teil unseres Lebens geworden, und ich sehe sie deshalb als meine wichtigste­n Filme an. MARTINA STÖCKER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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