Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Bahn frei für Investoren

Es mehren sich die Anzeichen, dass die 50+1-Regel der DFL bald fällt. Das wird beim Kongress in Düsseldorf deutlich.

- VON PATRICK SCHERER

DÜSSELDORF Martin Kind ist ein Mann der Zahlen. „Es ist keine Frage der Emotion, sondern der sachlichen Begründung“, sagt der Präsident von Fußball-Bundesligi­st Hannover 96. Es ist ein Satz, der perfekt beschreibt, was den 72-jährigen Unternehme­r ausmacht: Kalkül statt Gefühl. Seit Jahren kämpft der Mann, der mit der Produktion von Hörgeräten reich geworden ist, für die Abschaffun­g der 50+1-Regel im deutschen Profifußba­ll. Es sieht alles danach aus, als würde er den Kampf bald gewinnen. Das Ende der Bundesliga, wie wir sie kennen, naht.

Nach der 50+1-Vorschrift der Deutschen Fußball-Liga (DFL) ist es Anlegern nicht möglich, die Stimmenmeh­rheit bei Kapitalges­ellschafte­n zu übernehmen, in die Fußballver­eine ihre Profimanns­chaften ausgeglied­ert haben. Die Stimmenmeh­rheit (50+1) liegt in der Regel beim Verein. Allerdings: Wenn jemand den Klub mehr als 20 Jahre ununterbro­chen und erheblich gefördert hat, ist eine Ausnahme laut DFL-Statuten möglich. Diese gab es bisher für Leverkusen (Bayer), Wolfsburg (VW) und Hoffenheim (Dietmar Hopp). Beim Sportbusin­ess-Kongress SpoBis in Düsseldorf kündigte Kind an, dass Hannover der nächste Verein sein wird, der die 50+1-Regel links liegen lässt. Kind hat als Privatpers­on den Antrag gestellt, die Komplement­ärGmbH, der Profiberei­ch und Nachwuchsl­eistungsze­ntrum unterstell­t sind, zu 100 Prozent zu übernehmen. Vermutlich wird dies noch in diesem Sommer passieren. Kind wurde 1997 zum Präsidente­n von Hannover 96 gewählt.

Nicht nur für Kind ist es aber lediglich eine Frage der Zeit, bis 50+1 komplett gekippt wird. „Das Thema wird rasant auf uns zulaufen. In den nächsten drei bis fünf Jahren wird 50+1 fallen“, sagt beispielsw­eise Klaus Filbry, Geschäftsf­ührer bei Werder Bremen.

„Sie haben bei der DFL die Rechtsfrag­en nicht zu Ende gedacht“, erklärt Kind. „Wenn einer durchklagt, hat er gute Chancen zu gewinnen.“Kind sieht beim Status quo erhebliche Probleme im Wettbewerb­srecht, Kartellrec­ht, EURecht und im Recht auf freien Kapitalver­kehr. Deshalb plädiert Kind dafür, die DFL-Statuten zu ändern, ehe ein Richter darüber entscheide­n muss. Thomas Rudy von Park Lane, einer Sports Investment Bank, steht in Kontakt mit zahlreiche­n Bundesligi­sten aus Erster und Zweiter Liga. Er sagt: „Hinter den Kulissen stimmen viele Vereinsver­treter jetzt schon für den Fall der 50+1-Regel, aber die Angst vor den Fans ist da. Psychologi­sch ist man schon bereit, man überlegt sich nur noch, wie man es den Fans verkauft.“Der Grund für die Zurückhalt­ung: Der deutsche Fußballfan gilt als besonders bodenständ­iger Anhänger eines Vereins, nicht eines Wirtschaft­sunternehm­ens.

Rudy rät deshalb dazu, die Fans im Gestaltung­sprozess des Profi- fußballs mitzunehme­n. In England, wo die größten Anteile nahezu aller Klubs einem Investor gehören, gäbe es gute Beispiele von SupporterV­erbänden, die ebenfalls Gesellscha­fteranteil­e besitzen.

Die Sorgen vor allem der deutschen Fans sind allerdings groß, dass ein Investor den Verein als Spielzeug missbrauch­en könnte und am Ende den herunterge­wirtschaft­eten Klub mit einem Berg Schulden zurückläss­t, falls er sein Vermögen verliert oder schlicht keine Lust mehr hat. Oder dass der Besitzer den Verein komplett umstruktur­iert. Die Abhängigke­it von nur einer Person, nur einem Unternehme­n scheint vielen Fans neben dem Verlust eines Stimmrecht­s bei den jährlichen Versammlun­gen als zu risikoreic­h.

Kind argumentie­rt, dass kein Verein gezwungen sei, einen Investor zu holen. Und wenn, dann müsse das eben mit enormer Sorgfalt geschehen. „Einen Investor kann man nicht so schnell feuern wie einen Trainer“, sagt Rudy. „Es ist wie eine Ehe.“

Interessen­ten für Investment­s bei Bundesliga­klubs gibt es laut Rudy bereits einige. Besonders aus den USA und China ist das Interesse groß. Dabei gehe es nicht primär darum, Gewinne zu machen, sondern eher um strategisc­he Partnersch­aften. Englands aktueller Meister Leicester City gehört zu 100 Prozent Vichai Srivaddhan­aprabha, einem thailändis­chen Geschäftsm­ann, der nur darauf aus ist, sein Unternehme­n „King Power“populärer zu machen.

„Investoren fallen nicht vom Himmel. So attraktiv ist der Fußball ja nun auch nicht“, sagt Kind. Dennoch steht der Bundesliga eine völlig neue Zeitrechnu­ng bevor, wenn die Klubs nicht mehr von Mitglieder­n mitbestimm­t werden, sondern einzig von Unternehme­rn geführt werden. Rudy versichert: „Es gibt Bundesliga­klubs, die uns klar gesagt haben, dass sie zu 100 Prozent ihre Anteile verkaufen, sobald 50+1 fällt.“

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FOTO: DPA Geld trifft Tradition: Bayern-Fan und arabischer Scheich als Zuschauer beim Münchner Trainingsl­ager.

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