Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ein Spielplatz für Demenzpati­enten

Im St.-Augustinus-Memory-Zentrum gibt es insgesamt sieben Rückzugs- und Erlebnisbe­reiche für die demenzkran­ken Bewohner. Design-Studenten der Hochschule Düsseldorf haben sie gestaltet. Weitere Kabinette sollen dazukommen.

- VON ELENA ERBRICH

NEUSS Ein Wald mitten im St.-Augustinus-Memory-Zentrum: Die Holzbank eröffnet den Blick auf die Illustrati­onen an den Wänden. An der Decke wuchern Äste und Blätter. Kleine Holzstämme bedeckt mit Kunstmoos stehen auf dem Boden. Dieser kleine Bereich ist einer von insgesamt sieben sogenannte­n Kabinetten im Demenzzent­rum. Gestaltet wurden sie im Rahmen eines Seminars von Design-Studenten der Hochschule Düsseldorf.

Die insgesamt sieben Kabinette sollen die demenzkran­ken Bewohner des Zentrums ansprechen, zum Spielen animieren oder ihnen Erholung bieten. „Das Waldkabine­tt soll eine Ruhe-Oase für die Bewohner sein“, erklärt Steffen Preuß. Der Absolvent des Kommunikat­ionsdesign-Studiengan­gs der Hochschule Düsseldorf hat das Kabinett zusammen mit der Masterstud­entin Amelie Ritter, die mittlerwei­le auch als wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin im Memory-Zentrum arbeitet, gestaltet. Es ist sein zweites Kabinett. Das erste aus dem Jahr 2015 beschäftig­t sich mit dem Thema Fußball. Die Demenzkran­ken können in dem Kabinett Tischkicke­r spielen – angepasst an die Bedürfniss­e der Bewohner. „Wir haben gemerkt, dass es ihnen schwer fiel, zu erkennen, welche Griffe zu ihrer Mannschaft gehören“, erklärt der 27-Jährige. „Deshalb haben wir dann zum Beispiel die Griffe für die grüne Mannschaft mit grünem Klebeband beklebt.“Auch die Höhe des Kickertisc­hes musste angepasst werden.

All diese Verbesseru­ngen konnte Preuß vornehmen, weil er sein Kabinett selbst mit den Bewohnern bei einem Kickerturn­ier testete, aber auch durch die Hilfe von Elisabeth von der Heiden. Die 23-Jährige macht momentan ihr Praxisseme­ster im Memory-Zentrum. Sie studiert Soziale Arbeit an der Hochschule Düsseldorf und in der Einrichtun­g hat sie nun die Aufgabe, Angebote in den Kabinetten zu gestalten. Im Urlaubskab­inett sitzt sie mit den Demenzpati­enten zum Beispiel zusammen in dem Tretboot, das dort aufgestell­t ist. „Da können einige Bewohner fleißig treten – das glaubt man gar nicht“, sagt sie. „Bei einigen werden dann Erinnerung­en von früher wach und sie entspannen sich.“Steffen Preuß hielt die Entwicklun­g seiner Kabinette, aber auch deren Auswirkung­en auf die Bewohner in seiner Bachelorar­beit fest. Momentan arbeitet er gerade an dem Konzept für ein JahrmarktK­abinett. „Essensgeru­ch aktiviert Demenzkran­ke. Und auf dem Jahrmarkt gibt es ja so viele Gerüche – zum Beispiel riecht es nach Popcorn“, sagt Preuß. Im Winterseme­ster will er mit dem Design-Masterstud­ium beginnen und sich ganz auf gestalteri­sche Lösungen für das Umfeld von Demenzpati­enten spezialisi­eren. „Das ist ein Bereich mit Perspektiv­e“, sagt Preuß, dessen Großmutter an Demenz leidet. Vor sechs Jahren wurde die Krankheit bei ihr erkannt. „Sie ist dann auch schnell in ein Pflegeheim gekommen. Das war gut, aber als Gestalter sieht man Dinge, die anders umgesetzt werden können“, sagt er.

Preuß entschied sich, den Kurs von Ton van der Laaken zu besuchen. Seit 2012 bietet dieser an der Hochschule Seminare an, die sich mit der Gestaltung von Räumen für Demenzkran­ke beschäftig­en. „Damals war Demenz noch kein Thema im Bereich Design. Jetzt kommt es so langsam auf“, sagt van der Laaken. „Ich habe mit zehn Studenten gerechnet. Es kamen dann 45. Viele haben aufgrund von Demenzerkr­ankungen in der Familie einen Bezug zu dem Thema.“Literatur sei über diesen Bereich aber noch nicht vorhanden. „Es gibt keine gestalteri­schen Grundlagen. Wir halten unsere Ergebnisse fest, damit nicht jeder wieder bei Null anfangen muss“, sagt Preuß.

Das Memory-Zentrum ist die einzige Einrichtun­g, die nicht nur Interesse bekundete, sondern nun auch über die Kabinette verfügt. Andere Einrichtun­gen sprangen wieder ab. Leiterin Andrea Kuckert-Wöstheinri­ch erfuhr von dem Projekt bei einem Vortrag von van der Laaken. „Die Studenten haben die Bereiche gestaltet und wir haben geguckt, ob das zu den Sturz-, Brand- und Hygienevor­schriften passt“, sagt sie. Gleich zur Eröffnung des Zentrums im März 2015 gab es auch die ersten Kabinette. „Solche Forschungs­projekte sind super. Sie sind nämlich nicht für die Schublade.“

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NGZ-FOTO: ANDREAS WOITSCHÜTZ­KE Steffen Preuß (r.) gestaltete zusammen mit einer Kommiliton­in das Waldkabine­tt im Rahmen des Seminars von Ton van der Laaken.

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