Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Gastprofessor wider Willen
Jürgen Brautmeiter war Direktor der Landesanstalt für Medien. Doch dann musste er umdenken. Der in Neuss lebende Historiker hält Vorlesungen an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität
NEUSS Kryptisch und geheimnisvoll zugleich mutet der Titel der Antrittsvorlesung an, die Professor Jürgen Brautmeier am 2. Mai am Historischen Institut der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf halten wird: „Dem zweiten Mann im Staate fehlte eine Leiter“. Der in Neuss lebende Historiker befasst sich mit Albert Speer, der im Nationalsozialismus Reichsminister für Bewaffnung und Munition war.
Bereits Anfang der 80er Jahre hatte Brautmeier bei Recherchen zu seiner anstehenden Promotion im Londoner Nationalarchiv, wo die Verhörprotokolle von Speer aus den Nürnberger Prozessen gesammelt sind, ein Schriftstück gefunden, das die Legendenbildung um den vermeintlichen Edel-Nazi und Technokraten in anderem Licht erscheinen lässt. „Speer war ein tätiger Nazi“, nur soviel mag Brautmeier vorweg verraten. Zeit für ehrenamtliche Exkurse in die Wissenschaft wie die Honorarprofessur an der HHU sowie seine Vorstandstätigkeit im Neusser Forum Archiv und Geschichte hat der 62-Jährige derzeit genug. Denn seine Amtszeit als Direktor der Landesanstalt für Medien NRW (LfM) endete zum 31. Dezember letzten Jahres. Sechs Jahre lang war er als gewählter Direktor tätig gewesen. Eine Wiederwahl wurde ihm durch einen juristischen Schachzug verwehrt.
Bereits 2014 hatte die Personalie „Brautmeier“für viel Aufsehen gesorgt. Die rot-grüne Landesregierung in NRW hatte gemeinsam mit der Piratenfraktion eine Änderung des Landesmediengesetzes beschlossen. Darin der Passus, dass der Landesmediendirektor künftig Jurist mit Befähigung zum Richteramt sein muss. Als Historiker konnte Brautmeier nicht wieder kandidieren. In der Öffentlichkeit wurde die Gesetzesänderung als „Lex Brautmeier“bekannt.
„Ich hätte gerne weiter gemacht und die Kommission hätte mich wohl auch wieder gewählt“, sagt Brautmeier. „Aber ich war der Landesregierung zu renitent, habe die Interessen der LfM und nicht der Politik gewahrt.“Verbittert sei er nicht, aber er gibt zu: „Die letzten zwei Jahre als Direktor waren nicht vergnügungssteuerpflichtig.“
Er als CDU-Mitglied habe sein Amt nie parteipolitisch genutzt. „Im Gegenteil. Ich habe immer dafür gesorgt, dass die Landesmedienanstalt staatsfern bleibt.“Er habe auch lange überlegt, ob er gegen die Gesetzesänderung klagen sollte. Seine Chancen hätten nicht schlecht gestanden. „Aber ich bin kein Prozesshansel“, so Brautmeier. Er hat seitdem viel Zeit, zudem gut honoriert: 75 Prozent seines bisherigen Gehalts – vergleichbar mit dem eines Staatssekretärs – bekommt er noch die nächsten drei Jahre, bis er in Pension geht. „Zur Ruhe setzen kam für mich nie in Betracht. Ebenso wenig wie ständiges Reisen – das hatte ich beruflich schon genug.“Deshalb will er sein geschichtliches Hobby, dem er immer treu geblieben ist, weiter ausbauen. An der Uni wird er zum Wintersemester eine Semesterreihe zur Amerika-Auswanderung im 19. Jahrhundert anbieten. „Ein Thema, zu dem es auch im Neusser Stadtarchiv viel Material gibt“, so Brautmeier. Denn gerade in ländlichen Regionen hatte fast jede Familie mindestens eine Auswanderung Richtung USA. Auch Brautmeiers Ahnen zählten dazu. Seine Ururgroßmutter wanderte mit sieben ihrer acht Kinder aus.