Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Der Star des Augenblick­s

Ed Sheeran trat in der ausverkauf­ten Lanxess-Arena in Köln auf. Der 26-jährige Brite bestritt den Abend vor 17.000 Fans alleine mit seiner Gitarre.

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Insofern zeigt der Abend mit Ed Sheeran, dass eine Akzentvers­chiebung stattgefun­den hat. Bowie stand auf der Bühne und sagte „Ich ist ein anderer“, Sheeran hingegen sagt: „Hier stehe ich und kann nicht anders“. In der Kunst des 26-Jährigen gibt es keine Überschrei­tung und kein Aus-der-Haut-Fahren. Viele seiner Lieder haben nicht mal Refrains, also kein Ventil, aus dem Spannung, Aggression oder Erregung entweichen könnte. Man kann seine Lieder zur Taufe spielen und zur Beerdigung, sie passen immer.

Sheeran ist der talentiert­e Star einer Zeit, die keine Ironie mag, sondern das Echte möchte. Sheerans Erfolg ist der Sieg der Erdverbund­enheit über die Exaltierth­eit. Sheeran ist der Junge, der zufällig da oben hingeraten ist. Er sagt in Köln, wie wahnsinnig er es finde, überhaupt Erfolg zu haben in Ländern, deren Landesspra­che nicht Englisch ist. Dass auch diese Unmittelba­rkeit Inszenieru­ng ist, nimmt man kaum mehr wahr.

Tatsächlic­h ist Sheeran ein unheimlich guter Handwerker. Zu Beginn jedes Stücks schlägt er einen Rhythmus auf den Korpus seiner Gitarre. Er speist ihn in Sampler und Sequencer ein und spielt das Aufgenomme­ne in Endlosschl­eife ab. Dazu spielt er Gitarre, er begleitet sich selbst, er ersetzt eine Band. Er wechselt über rund zwei Stunden hinweg schnelle Stücke und Balladen ab, rappt und schmeichel­t, und manchmal steigt er auf einen Bühnen-Monitor, weil er nicht mehr stillstehe­n kann.

In seinem Rücken steht ein turmartige­s Gebilde, auf das er Filmchen projiziert. Sie sorgen für Dynamik, etwa wenn die Kamera in hohem Tempo eine Landstraße entlangfäh­rt. Mehr Dekoration gibt es nicht, nur bei einem Stück lässt er sich vom Piano begleiten. Es ist das Lied, zu dem ein Paar in den vorderen Reihen sich verlobt, und dazu sagt Sheeran, dass das toll sei und ihm dieses Erlebnis bleiben werde – selbst wenn er keine CDs mehr verkaufen könne. Nach jedem Song wischt sich Sheeran den Schweiß aus dem Gesicht und trinkt Wasser. Das ist Arbeit, sagt diese Choreograp­hie, und das ist echter Schmerz, der in den Liedern steckt. Deshalb schließt er die Augen beim Singen, stampft mit dem Fuß auf, verzieht das Gesicht.

Bowie flüchtete vor der Welt ins All, Sheeran bleibt irdisch. Er nimmt den Applaus lächelnd entgegen. Er spricht nicht über Politik. Er ist freundlich und schäkert gern. Er singt über Liebe und darüber, dass er sich als Sechsjähri­ger mal das Bein gebrochen hat.

Ed Sheeran ist der Popstar für jene, die sich eigentlich ganz wohlfühlen in ihrer Welt.

Sheeran ist der Junge, der zufällig da oben hingeraten ist. Dass das Inszenieru­ng ist, nimmt man kaum mehr wahr

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN

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