Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Kanal-Rauschen in Neurath ist geklärt
Obwohl weit und breit keine Regenwolke in Sicht war, gurgelte es unter den Straßen wie bei einem Wildbach – und niemand wusste warum. Die Wirtschaftsbetriebe leisteten Detektivarbeit – und fanden den Verursacher: RWE.
NEURATH Ein Rätsel in Neurath ist geklärt. Im vergangenen Jahr beklagten sich Anwohner der Straße „Am Dornbusch“über ein mächtiges Rauschen, als würde ein Wasserfall im Abwasserkanal unter ihrer Straße strömen – und das bei schönstem Sonnenschein, ohne dass ein einziger Regentropfen fiel. Zeitweise könnten sie nicht mehr schlafen, erklärten Betroffene genervt. Willibert Müller, Ratsherr der Aktiven Bürger, schaltete die Stadt ein, die solle die Ursache herausfinden. Müllers Verdacht: „Das könnte ein unkontrollierter Einlass von Kühlwasser aus dem Kraftwerk sein.“Und er fragte: „Werden für die Einleitung Gebühren erhoben?“
Tatsächlich: Verursacher des Schwalls war RWE Power. Doch was da durch den Kanal gurgelte, war kein Kühlwasser, sondern kam aus den Sanitäranlagen des Werks. Diese Erkenntnis stand am Ende einer Detektivarbeit der Wirtschaftsbetriebe Grevenbroich (WGV). Die überprüften zunächst die Kanäle und stellten fest, dass das rätselhafte Wasser aus dem Kraftwerk Neurath eingeleitet wurde.
„Wir haben daraufhin Sonden in unserem Kanal installiert. Damit wurde über einen Zeitraum von drei Wochen gemessen, welche Wassermengen zu welchen Zeiten eingeleitet werden“, erläutert Uwe Bors, der bei den WGV für das städtische Kanalnetz zuständig ist. Die Son- den, die einer Computermaus ähneln, werden normalerweise verwendet, um Berechnungen für Kanalbauten zu bestätigen. Für die Messung einer Kunden-Einleitung wurden sie erstmals eingesetzt, sagt Bors. Ausgangspunkt des Kanalrauschens waren zwei Hebewerke, mit denen das in zwei Becken gesammelte Sanitärwasser des Neurather Kraftwerks ins Netz gepumpt wird. Mitarbeiter der WGV stellten zufällig fest, dass RWE-Personal am Schichtende mit dem Fahrrad zu dieser Anlage fuhr und die Pumpen per Hand in Gang setzte – und zwar gleichzeitig. Laut WGV förderte jede Pumpe rund 50 Liter in der Sekunde, so dass schlagartig in einem Augenblick bis zu 100 Liter Dusch- und Toilettenwasser durch das Kanalnetz rauschen konnten. „Rückfragen bei RWE haben dann Klarheit gebracht“, sagt Uwe Bors. Wie der Konzern den Wirtschaftsbetrieben mitteilte, sei die Steuerung der beiden Hebeanlagen ausgefallen – und für die Ersatzteile gebe es eine lange Lieferzeit. Also schaltete das Personal des Konzerns, der auf seine moderne Technik stolz ist, die Pumpen per Hand an. Mittlerweile sind die Hebeanlagen repariert, und die Becken werden – sobald sie voll sind – automatisch entleert. Um künftig Wasserfall-Rauschen zu ver- meiden, wurde RWE aufgefordert, das Nass dosiert einzuleiten, mit höchstens 15 Litern pro Sekunde. Gebühren sind der Stadt übrigens nicht verloren gegangen. Nach Auswertung der WGV-Messung steht fest, dass zwischen 34.413 und 46.610 Kubikmeter eingeleitet wurden. Das entspreche dem Frischwasserverbrauch und sei gebührenrechtlich berücksichtigt, informiert Bürgermeister Klaus Krützen in einer Vorlage für die Ratssitzung am kommenden Donnerstag.
Ratsherr Willibert Müller ist nicht ganz zufrieden mit der Stellungnahme der Stadtverwaltung. „Zwischen 34.413 und 46.610 Kubikmeter klafft meines Erachtens eine große Lücke“, sagt er. Die Aktiven Bürger wollen daher im Rat einen Antrag stellen, der für mehr Gebührengerechtigkeit sorgen soll: „RWE muss eine Messanlage installieren, damit der tatsächliche Abwasserverbrauch abgerechnet werden kann“, sagt Müller. Eine solche kontinuierliche Messung sei seines Wissens auch am Kraftwerk Frimmersdorf geplant.
Nichtsdestotrotz ist Willibert Müller froh darüber, dass das mysteriöse Wildbach-Rauschen im Kanal endlich vorbei ist. „Das betraf ja nicht nur den Dornbusch, sondern auch andere Straßenzüge im Dorf“, schildert das Ratsmitglied: „Und das hat vielen Bürgern vor allem in den Sommermonaten oftmals den Schlaf geraubt.“