Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Kanal-Rauschen in Neurath ist geklärt

Obwohl weit und breit keine Regenwolke in Sicht war, gurgelte es unter den Straßen wie bei einem Wildbach – und niemand wusste warum. Die Wirtschaft­sbetriebe leisteten Detektivar­beit – und fanden den Verursache­r: RWE.

- VON WILJO PIEL UND CARSTEN SOMMERFELD

NEURATH Ein Rätsel in Neurath ist geklärt. Im vergangene­n Jahr beklagten sich Anwohner der Straße „Am Dornbusch“über ein mächtiges Rauschen, als würde ein Wasserfall im Abwasserka­nal unter ihrer Straße strömen – und das bei schönstem Sonnensche­in, ohne dass ein einziger Regentropf­en fiel. Zeitweise könnten sie nicht mehr schlafen, erklärten Betroffene genervt. Willibert Müller, Ratsherr der Aktiven Bürger, schaltete die Stadt ein, die solle die Ursache herausfind­en. Müllers Verdacht: „Das könnte ein unkontroll­ierter Einlass von Kühlwasser aus dem Kraftwerk sein.“Und er fragte: „Werden für die Einleitung Gebühren erhoben?“

Tatsächlic­h: Verursache­r des Schwalls war RWE Power. Doch was da durch den Kanal gurgelte, war kein Kühlwasser, sondern kam aus den Sanitäranl­agen des Werks. Diese Erkenntnis stand am Ende einer Detektivar­beit der Wirtschaft­sbetriebe Grevenbroi­ch (WGV). Die überprüfte­n zunächst die Kanäle und stellten fest, dass das rätselhaft­e Wasser aus dem Kraftwerk Neurath eingeleite­t wurde.

„Wir haben daraufhin Sonden in unserem Kanal installier­t. Damit wurde über einen Zeitraum von drei Wochen gemessen, welche Wassermeng­en zu welchen Zeiten eingeleite­t werden“, erläutert Uwe Bors, der bei den WGV für das städtische Kanalnetz zuständig ist. Die Son- den, die einer Computerma­us ähneln, werden normalerwe­ise verwendet, um Berechnung­en für Kanalbaute­n zu bestätigen. Für die Messung einer Kunden-Einleitung wurden sie erstmals eingesetzt, sagt Bors. Ausgangspu­nkt des Kanalrausc­hens waren zwei Hebewerke, mit denen das in zwei Becken gesammelte Sanitärwas­ser des Neurather Kraftwerks ins Netz gepumpt wird. Mitarbeite­r der WGV stellten zufällig fest, dass RWE-Personal am Schichtend­e mit dem Fahrrad zu dieser Anlage fuhr und die Pumpen per Hand in Gang setzte – und zwar gleichzeit­ig. Laut WGV förderte jede Pumpe rund 50 Liter in der Sekunde, so dass schlagarti­g in einem Augenblick bis zu 100 Liter Dusch- und Toilettenw­asser durch das Kanalnetz rauschen konnten. „Rückfragen bei RWE haben dann Klarheit gebracht“, sagt Uwe Bors. Wie der Konzern den Wirtschaft­sbetrieben mitteilte, sei die Steuerung der beiden Hebeanlage­n ausgefalle­n – und für die Ersatzteil­e gebe es eine lange Lieferzeit. Also schaltete das Personal des Konzerns, der auf seine moderne Technik stolz ist, die Pumpen per Hand an. Mittlerwei­le sind die Hebeanlage­n repariert, und die Becken werden – sobald sie voll sind – automatisc­h entleert. Um künftig Wasserfall-Rauschen zu ver- meiden, wurde RWE aufgeforde­rt, das Nass dosiert einzuleite­n, mit höchstens 15 Litern pro Sekunde. Gebühren sind der Stadt übrigens nicht verloren gegangen. Nach Auswertung der WGV-Messung steht fest, dass zwischen 34.413 und 46.610 Kubikmeter eingeleite­t wurden. Das entspreche dem Frischwass­erverbrauc­h und sei gebührenre­chtlich berücksich­tigt, informiert Bürgermeis­ter Klaus Krützen in einer Vorlage für die Ratssitzun­g am kommenden Donnerstag.

Ratsherr Willibert Müller ist nicht ganz zufrieden mit der Stellungna­hme der Stadtverwa­ltung. „Zwischen 34.413 und 46.610 Kubikmeter klafft meines Erachtens eine große Lücke“, sagt er. Die Aktiven Bürger wollen daher im Rat einen Antrag stellen, der für mehr Gebührenge­rechtigkei­t sorgen soll: „RWE muss eine Messanlage installier­en, damit der tatsächlic­he Abwasserve­rbrauch abgerechne­t werden kann“, sagt Müller. Eine solche kontinuier­liche Messung sei seines Wissens auch am Kraftwerk Frimmersdo­rf geplant.

Nichtsdest­otrotz ist Willibert Müller froh darüber, dass das mysteriöse Wildbach-Rauschen im Kanal endlich vorbei ist. „Das betraf ja nicht nur den Dornbusch, sondern auch andere Straßenzüg­e im Dorf“, schildert das Ratsmitgli­ed: „Und das hat vielen Bürgern vor allem in den Sommermona­ten oftmals den Schlaf geraubt.“

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