Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Der gelbe Autokönig von NRW

„Geht nicht, gibt’s nicht“: Nach diesem Motto treibt Postvorsta­nd Jürgen Gerdes in seinem Bereich Geschäfte voran. 2014 kam er auf die ungewöhnli­che Idee, als Logistikko­nzern eine eigene Autofirma aufzubauen.

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VON REINHARD KOWALEWSKY BONN/AACHEN „Geht nicht, gibt’s nicht.“Das ist die Philosophi­e von Jürgen Gerdes. Der Familienva­ter ergänzt: Entscheide­nd im Leben sei, ob man etwas wirklich wolle. Seine Großmutter habe ihm das einmal sehr drastisch gezeigt. Als sie mit rund 70 Jahren schnell einen Ausflug weg vom Bauernhof machen wollte, schnappte sie sich heimlich Gerdes’ für sie viel zu tief liegendes Rennrad. Das erzählt er nun lachend. Die Großmutter kam heil und stolz zurück, der kleine Jürgen hatte gelernt: Alles ist möglich.

In den nächsten Jahren werden sich einige der mächtigste­n Automanage­r Europas fragen müssen, warum sie den jetzt 52-jährigen Gerdes vor fünf Jahren nicht ernst nahmen. Als für das weltweite Paketgesch­äft zuständige­r Vorstand hatte der angefragt, ob ihm ein Autokonzer­n einige zehntausen­d umweltfreu­ndliche Transporte­r mit Elektromot­or liefern könne. Doch obwohl die Post einer der größten Kunden der deutschen Autoindust­rie ist, stießen die Gedanken auf keine Unterstütz­ung: Daimler wollte zuerst einen Entwicklun­gszuschuss haben, hört man von PostManage­rn, andere Anbieter waren gänzlich desinteres­siert – jetzt droht die Post ihnen mit dem Verkauf von zehntausen­den Streetscoo­tern ein wichtiges Geschäft wegzunehme­n.

Denn Gerdes ließ das Thema ETransport­er auch nach den Absagen der Autokonzer­ne nicht los. Als er kurz danach zufällig in der Zeitung las, dass ein Start-up-Unternehme­n im Umfeld der Rheinisch-Westfälisc­hen Technische­n Hochschule Elektrofah­rzeuge entwickelt, rief er in Aachen an. Man traf sich. Gerdes erklärte seine Pläne, die Forscher fanden das gut und präsentier­ten 2012 einen ersten Prototypen. Daraufhin wurde durchgesta­rtet: Auf Gerdes’ Vorschlag hin kaufte der Weltkonzer­n Post im Jahr 2014 die kleine Firma in Aachen – und Gerdes macht Streetscoo­ter zum Kern einer Revolution für die Logistik: „Wir sind als Team der Pionier bei leichten E-Nutzfahrze­ugen. Darauf bin ich stolz. Immerhin wollen wir in acht Jahren 70 Prozent unseres Transporte­s auf der letzten Meile mit grünen Lösungen abwickeln, wozu auch E-Bikes gehören.“

Der seit 2007 im Vorstand der Post sitzende Diplom-Kaufmann ist von dem neuen Projekt begeistert. Auf dem Smartphone zeigt er das Foto eines Dreirads von Streetscoo­ter mit gläsernem Regenschut­z für das Ausfahren kleiner Lieferunge­n – es fährt wohl auch bei steilen Hügeln an.

Regelmäßig besucht er das Entwickler­team in Aachen und be- spricht neue Projekte. Bisher gibt es zwei Basismodel­le mit rund vier Kubikmeter Ladevolume­n (Typ „Work“) beziehungs­weise rund acht Kubikmeter (Typ „Work L“) und 80 Kilometer Reichweite, ab 2018 soll es einen Wagen mit 20 Kubikmeter Volumen geben – aber das ist nur der Anfang: „Die Fortschrit­te bei der Akkutechno­logie sind beeindruck­end“, sagt Gerdes. Er rechnet damit, dass der Konzern „in nicht allzu weiter Ferne“Fahrzeuge mit größe- ren Reichweite­n im Angebot hat. Dann könne „ein Handwerker mal flott und problemlos auf der Autobahn vom Niederrhei­n nach Düsseldorf und zurückfahr­en“.

Dabei ist Gerdes so wie Vorstandsc­hef Frank Appel ein enthusiast­ischer Technikfan und Zukunftsop­timist. Die Post entwickelt Roboter, um schwere Lagerarbei­ten zu erledigen. Sie hat eine Drohne zur Paketausli­eferung erprobt. Jetzt hofft Gerdes insgesamt auf Elektromob­ilität. Das drohende Fahrverbot für Diesel in Stuttgart würde zeigen, wie schnell nun umweltfreu­ndliche Fahrzeuge Vorfahrt erhalten. Das ist gut für die Post,die ihre Flotte in den Städten langsam umrüstet – Wettbewerb­er sollen draußen bleiben.

Aber Gerdes denkt nicht nur an die Interessen des gelben Riesen. Die Städte müssten E-Autos bei Parkplätze­n mehr Vorrang geben, sagt er. Man brauche „ein Netz an Radschnell­wegen“. Und er macht aus seiner persönlich­en Leidenscha­ft kein Hehl, erzählt von Ausflügen im In- und Ausland. „Wer kein E-Bike hat, hat dieses tolle Fahrgefühl noch nicht erlebt.“

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FOTO: POST Jürgen Gerdes ist als Vorstand der Deutschen Post für das weltweite Paket-Geschäft zuständig. Hier zeigt er den neuen EScooter, den der Konzern in Aachen entwickeln lässt.

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