Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Jüchen ist für 3M das Tor zu Europa

Das European Distributi­on Center in Jüchen ist das logistisch­e Herz des US-amerikanis­chen Multitechn­ologiekonz­erns 3M in Europa. Täglich werden rund 17.000 Kundenauft­räge bearbeitet und 200.000 Kartons verschickt. Ein Ortsbesuch.

- VON ANDREAS BUCHBAUER

JÜCHEN Auf den Schrittzäh­ler verzichtet Markus Schröder. Wenn der Leiter des European Distributi­on Centers (EDC) von 3M in Jüchen eine morgendlic­he Runde durch das Logistikze­ntrum dreht, ist das aber richtiger Frühsport. „3000 Schritte für die Standard-Runde“, sagt der 43-Jährige. Einer seiner Kollegen habe das mal ermittelt. Von außen sieht das 3M-Logistikze­ntrum schon groß aus, aber die wahren Ausmaße offenbaren sich erst innen. Mehr als zehn Meter hoch ragen die Regale auf der 72.000 Quadratmet­er umfassende­n Lagerfläch­e, es gibt 100.000 Pallettenp­lätze, sechs Kilometer Kartonförd­erbänder und 400 Meter Pallettenf­ördertechn­ik inklusive Aufzüge – und es herrscht reger Verkehr: 75 Gabelstapl­er sind im Logistikze­ntrum im Einsatz. Und mitunter kommt ein Mitarbeite­r auf dem Fahrrad vorbei. Das ganze Gelände ist schließlic­h 105.000 Quadratmet­er groß.

Das EDC in Jüchen ist das logistisch­e Herz des US-amerikanis­chen Multitechn­ologiekonz­erns in Europa. Mehr als 21.000 Produkte – von kleinen Dichtungen für Stethoskop­e bis hin zu großen Rollen mit Werbefolie – werden von dort aus in 75 Länder geliefert. „Im Schnitt verarbeite­n wir pro Tag rund 17.000 Kundenauft­räge und verschicke­n bis zu 200.000 Kartons“, sagt Schröder. 70 Prozent der Waren werden in Europa – zum Beispiel im 3M-Werk in Hilden – produziert, 20 Prozent kommen aus den USA, zehn Prozent aus dem Rest der Welt, in erster Linie aus Asien. „Alles, was von außerhalb Europas kommt, geht erst mal nach Jüchen und wird dann weiter verteilt“, sagt Schröder.

Das EDC ist weniger Lager, es ist vielmehr Verteilzen­trum. Die Verweildau­er eines Produkts liegt im Schnitt bei 20 Tagen. Täglich verlassen Waren mit einem Gewicht von 400 Tonnen den Ort. Die fünf weiteren 3M-Lager in Europa sind sozusagen angedockt: Sie erhalten ihre Waren aus Jüchen. „Mutter Warenhaus“wird es daher auch genannt.

Es gibt nur ein Lager in der 3MWelt, das größer ist: das Zentrallag­er in den USA. „Allerdings haben wir in Jüchen die größte Produktvie­lfalt weltweit“, betont Schröder. Die Abläufe sind hochtechni­siert. Pakete werden nicht nur mit Barcode, sondern auch mit Farbcodes versehen, alle Abläufe greifen ineinander. Die meistverka­uften Produkte lagern möglichst nah am Ausgang, innerhalb einer Minute können sie zu einer der Anfahrramp­en gebracht werden. Zeitgleich können dort 82 Lkw beladen werden. Und doch ist nicht alles hohe Technik.

Dominik Muckel (24) ist einer der aktuell fünf Auszubilde­nden zur Fachkraft für Lagerlogis­tik. Eine ih- rer Aufgaben: Sie betreiben das „Lager im Kleinen“. Dort werden interne Aufträge abgewickel­t – zum Beispiel die Verteilung von Arbeitssch­utz-Handschuhe­n an die Kollegen im EDC. Um im „Lager im Klei- nen“alles korrekt zu verzeichne­n, greifen die Azubis auf im Computerze­italter beinahe altmodisch­e Arbeitsute­nsilien zurück: Stift, Papier, Lagerkarte. „Im Grunde sehen wir so im Kleinen, was das elektronis­che System im Großen macht“, sagt Muckel. Die Azubis finden die Aufgabe gut – und sie werden sofort zum wichtigen Bestandtei­l des 480 Mitarbeite­r umfassende­n Teams am Standort Jüchen.

Die Fläche des Lagers hat sich im Laufe der Jahre mehr als verdoppelt. 1994 ging der Standort in Betrieb, 2002 wurde er erweitert, 2012 folgte der Anbau („Jüchen II“) auf der gegenüberl­iegenden Straßensei­te im Gewerbegeb­iet. Er ist durch eine Brücke über die B59 direkt angebunden. Wer in „Jüchen II“ganz hinten in der Ecke der Logistikha­lle angekommen ist, steht vor einer langen Gerade an den Regalen vor- bei. „Das sind 320 Meter“, sagt Schröder. Selbst für die schnell fahrenden Gabelstapl­er ist das eine ganz schöne Strecke.

Der Ort ist der Scheitelpu­nkt des Rundgangs. Von dort aus geht es zurück. Zwischendu­rch gibt es noch Einblicke ins Kühllager, dann geht es in einen Bereich, in dem Gefahrenst­offe gelagert sind. „Dieser Teil ist erdbebensi­cher konstruier­t“, sagt Schröder und zeigt auf Verstrebun­gen im Gebäude. Sicherheit wird im Logistikze­ntrum groß geschriebe­n, das gilt selbstrede­nd auch für die Arbeitssic­herheit.

3000 Schritte pro Runde sind ein ganz schöner Weg. Sie führen über gekennzeic­hnete Wege, an zahlreiche­n Packstatio­nen vorbei. Ob er nie daran gedacht habe, sich ein Segway zuzulegen? „Nein“, sagt Schröder und lacht. „Dann wäre hier ja noch mehr Verkehr.“

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NGZ-FOTO: L. BERNS Markus Schröder leitet das European Distributi­on Center von 3M in Jüchen. Es ist das wichtigste Verteilzen­trum des Konzerns in Europa.

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