Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Scharfzüng­ige Texte zu vergnüglic­her Ragtime-Musik

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NEUSS (maho) Künstlern sagt man nach, gerne im Mittelpunk­t stehen zu wollen und sich nach jeder Kamera, jedem Mikrofon oder Scheinwerf­er umzudrehen. Im Kulturkell­er auf der Oberstraße hatte das Publikum die Gelegenhei­t, einen wahren Gegenentwu­rf zur schillernd­en Unterhaltu­ngswelt zu erleben: Danny Dziuk gab sich die Ehre.

Der 60-jährige gebürtige Moerser ist nämlich eher ein Schwergewi­cht aus der zweiten Reihe. Das Rampenlich­t ist nicht so sein Ding, er nennt sich selbst einen Alien. Dziuk schreibt seit Jahrzehnte­n erfolgreic­h Texte für den Liedermach­er Stefan Stoppok, für Ulla Meinecke, den Schauspiel­er Axel Prahl und für den Autor und Satiriker Wiglaf Droste. Und wenn Annett Louisans letztes Album „In meiner Mitte“von den Kritikern über alle Maßen gelobt wurde, sind Dziuks Texte mit dafür verantwort­lich. Sie sind beobachten­d scharfzüng­ig, der feinsinnig­e Texter schreibt nieder, was ihn umtreibt, ihn ärgert, wütend macht und was ihn freut.

Das können in seinen Liedern gierige Banker sein („Tante Bank“) oder mit der AfD sympathisi­erende Dummschwät­zer („Ja, man darf – Demokratie“). Seine Texte sind entlarvend­e Spiegel, die er seiner Klientel vorhält. Und eine Frage – die nicht nur Textzeile ist – scheint ihn nicht loszulasse­n: „Kann mir das mal irgendjema­nd erläutern?“Doch bei aller Ernsthafti­gkeit verliert Dzi- uk dabei niemals die Fähigkeit, über sich selbst lachen zu können. Sein neuestes Album „Wer auch immer, was auch immer, wo auch immer“ist nach acht Jahren Unterbrech­ung erschienen, der Künstler hat wieder Zeit für sich selbst gefunden.

Karl Neukauf, langjährig­er Musikerkol­lege, war auf der kleinen Bühne eine erfrischen­de Ergänzung, die beiden sind Brüder im Geiste. Und wenn sie vergnüglic­he Ragtime-Melodien zu bösen Texten anstimmen, kommt einem zwangsläuf­ig der Vergleich mit Amerikas poetischst­em Gesellscha­ftskritike­r, den Singersong­writer Randy Newman, in den Sinn.

Ein aufmerksam­es Publikum hatte mit dem Duo zwei tiefsinnig­e Stunden lang viel Spaß, für Danny Dziuk ein erfolgreic­her Abend. „Mein erhobener Zeigefinge­r ist nicht belehrend, eher warnend“, sagt er in der Pause im Interview, „die Leute hören mit Interesse und Freude zu. Und das ist im Grunde eigentlich alles, was wir wollen.“Und sollten sich die beiden noch einmal ankündigen: unbedingt hingehen!

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FOTO: DZUIK Danny Dzuik agiert eher hinter Kulissen – leider.

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