Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Tief im Westen – wie die SPD im Revier kämpft
ESSEN Die Frohnhauser Straße im Essener Arbeiterviertel ist auch nicht mehr das, was sie mal war. „Das hat sich hier alles stark verändert“, stellt eine Frau in einem Blumenladen fest. Wie? „Naja, die Ausländer machen sich breit.“Der türkische Friseur, der türkische Juwelier, der türkische Imbiss, das türkische Dekogeschäft – man merkt, dass die Leute das stört. Der Ausländeranteil in Essen-Frohnhausen (32.000 Einwohner) liegt bei 17,1 Prozent und damit um knapp zwei Prozentpunkte über dem Essener Durchschnitt. Eine Verkäuferin hinter der Holztheke sagt: „Ich sympathisiere nicht mit der AfD. Aber ich verstehe die Menschen, die sie wäh- len.“Das sei doch ein Protest, ein Warnschuss für die Politiker in Berlin. Was sie wählt, verrät sie aber nicht.
Schlägt das Herz des Ruhrgebiets eigentlich noch für die SPD? In Frohnhausen etwa, tief im Westen des Ruhrgebiets, wählten die Menschen klassischerweise SPD. In Essen war sie bei allen Landtagswahlen die stärkste Partei. In den vergangenen 60 Jahren haben Sozialdemokraten 48 Jahre lang den Oberbürgermeister gestellt. Seit 2015 aber ist der CDU-Politiker Thomas Kufen Stadtoberhaupt. Doch der Kampf mit der CDU ist nicht der einzige, den die Genossen hier seit einiger Zeit auszutragen haben. Auch die AfD buhlt verstärkt um das Ruhrgebiet mit seinen vermeintlich abgehängten Arbeitern. Nicht zufällig hat die AfD ihren Wahlkampf in Essen eröffnet. Einen Aufschrei gab es, als im September Guido Reil von der SPD zur AfD wechselte. „Das ist doch keine Arbeiterpartei mehr“, rief er seinen ehemaligen Parteifreunden damals hinterher. Haupt- sächlich hadert er mit der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung.
Ein Sozialdemokrat, der für Frohnhausen kämpft, ist Klaus Persch (64). Der Bezirksbürgermeister sitzt in einer Kneipe am Frohnhauser Platz. „Das ist ein wunderschöner Stadtteil“, sagt er. Drei Parks, gut an Bus, Bahn und Autobahn angeschlossen, günstige Mieten, die Uni nicht weit. Persch lebt seit 60 Jahren in Frohnhausen, vier Jahre war er auf Montage in Algerien. 1972 ist er in die SPD eingetreten. Damals kämpfte „die Lichtgestalt Willy Brandt“um das Kanzleramt. „Heute“, sagt Persch, „treten wieder Menschen wegen einer Lichtgestalt in die SPD ein.“Diesmal ist es Martin Schulz. 13 neue Mitglieder verzeichnet der Ortsver- ein Frohnhausen seit Schulz’ Nominierung. „Bei 150 Mitgliedern ist das doch was, oder?“, fragt Persch.
Er sagt auch: „Vor der AfD habe ich keine Angst.“Dabei ist die SPD im Essener Westen gebeutelt. Britta Altenkamp, die für Frohnhausen wieder in den Landtag will, musste wegen eines Streits um Flüchtlingsunterkünfte als Essener SPD-Chefin zurücktreten. Und dann ist da noch Petra Hinz, die ihren Lebenslauf erfand und auf einem Gerüst aus Lügen in den Bundestag zog. Nach ihrem Auffliegen musste sie auch den Vorsitz des Ortsvereins Frohnhausen abgeben. Seither wurde sie nicht mehr gesehen. Kann das gut gehen, SPD?
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