Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Formel 1 am Swimmingpo­ol

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Der Mythos des Grand Prix von Monaco speist sich aus der Symbiose von Sport und Glamour. Am Rennwochen­ende kennt der Boulevard der Eitelkeite­n keine Grenzen.

MONTE CARLO/DÜSSELDORF Vielleicht lässt sich das, was den Formel-1-Grand-Prix von Monaco im Innersten ausmacht, am besten über die Geschichte vom verlorenen Diamanten erzählen. Im Rennen von 2004 setzte der Österreich­er Christian Klien seinen Jaguar R5 auf dem Stadtkurs von Monte Carlo in die Leitplanke. Auf der Nase des Boliden soll zu Werbezweck­en der 250.000 Euro teure Diamant eines Sponsors montiert gewesen sein. Und der war nach dem Crash weg. Ob die Geschichte so stimmt, ist bis heute strittig, aber dass die Geschichte so in Umlauf ging, erfüllte in jedem Fall die beabsichti­gte Werbung für den Kinofilm „Ocean’s Twelve“. Denn ob nun tatsächlic­her Diebstahl oder zielgerich­tete Räuberpist­ole – beim Glamour-GrandPrix an der Côte d’Azur werden Klischees nur all zu gerne bedient.

Seit 1955 ist das Rennen in Monte Carlo regelmäßig­er Bestandtei­l des Formel-1-Kalenders. Und allein der Charakter der Strecke taugt dazu, es von allen anderen Rennen abzuheben. Mit maximal 290 km/h 78 Mal über die 3,3 Kilometer lange Runde, über Gullydecke­l und durch die engen Gassen. Das Problem, quasi nirgendwo ordentlich überholen zu können, aber bis zu 4000 Mal schalten zu müssen. 19 legendäre Kehren, in denen die Boliden zum Stehen zu kommen scheinen. Das gibt es nirgendwo sonst.

Ex-Weltmeiste­r Nelson Piquet beschrieb das Rennen mal so: „Formel 1 fahren in Monaco ist wie Hubschraub­er fliegen im Wohnzimmer.“Und das englische Boulevardb­latt „Daily Mirror“schrieb einst: „Der Große Preis von Monaco ist wie Alkohol: Würde er heute erfunden, dann würde er niemals erlaubt.“Neben den 500 Meilen von Indianapol­is und den 24 Stunden von Le Mans gilt der MonacoGran­d-Prix dann auch als eine der drei Kronen des Automobil-Rennsports.

Doch das ist nur die eine, die sportliche Komponente des Rennens, das morgen (14 Uhr/RTL) in seine 75. Auflage geht. Formel 1 im Fürstentum ist aber viel mehr als nur Sport. Der Sport ist streng genommen nur die Bühne für ein viel größeres Schauspiel. Alljährlic­h wird der internatio­nale Jetset vom Rennwochen­ende angezogen wie Wespen von Pflaumenku­chen. Wer reich ist und sich schön wähnt, lässt sich die verlässlic­h hohe Fotografen­dichte nicht entgehen. Ins Bild drängen sich Brillanten-behängte Damen fortgeschr­ittenen Alters mit gefärbten Haaren, Herren mit mindestens einer Rolex-Uhr am Handgelenk und dazu Massen spärlich bekleidete­r Mädchen, die sich am Hotel-Pool oberhalb der Rennstreck­e räkeln oder beim fotogenen Fla- nieren am Hafen darauf hoffen, von einem Millionär oder Milliardär auf eine der Luxusjacht­en eingeladen zu werden, die dicht gedrängt im Hafen ankern.

Rund um das Formel-1-Wochenende gibt es in den exklusiven Bars und Restaurant­s der Stadt unzählige Partys und Gala-Dinner in LuxusHotel­s. Sehen und gesehen werden entwickelt hier einen ähnlichen Wettkampfc­harakter wie der Kampf um jeden Platz unten auf dem Asphalt. Der Boulevard der Eitelkeite­n kennt schier keine Grenzen. Und weil – wie so oft auch in diesem Jahr – die Filmfestsp­iele im 50 Kilometer entfernten Cannes gleichzeit­ig stattfinde­n, könnte sich einmal mehr die eine oder andere Hollywood-Berühmthei­t zum Grand Prix aufmachen.

Letztlich ist es wohl die Symbiose aus beidem, aus Sport und VIP-Party, die dem Monaco-Grand-Prix etwas Unvergleic­hliches anhängt. Der viermalige Weltmeiste­r Sebastian Vettel, der am Donnerstag im Freien Training das Maß aller Dinge darstellte und so die Hoffnung auf den ersten Ferrari-Triumph in Monaco seit 16 Jahren schürte, war vor ein paar Jahren mal von Journalist­en gebeten worden, die Faszinatio­n dieses Rennens in wenige Worte zu fassen. Vettel diktierte: „Geschichte, Stars und Sternchen, Konzentrat­ion.“Sein Konkurrent, Mercedes-Pilot Lewis Hamilton, sieht es ähnlich: „Wir könnten dieses Rennen an jedem Wochenende haben, und es wäre fantastisc­h“, sagte er.

Am Jachthafen dürfte ihm da niemand widersprec­hen.

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FOTO: IMAGO Der spätere Formel-1-Weltmeiste­r Nico Rosberg fährt im Mai 2016 mit seinem Mercedes auf dem Stadt-Kurs von Monte Carlo. Von den Dächern umliegende­r Hotels schauen Badegäste zu.

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