Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
„Diebe kommen durch die Datenleitung“
Was Einbrecher anrichten können, darüber haben die Menschen eine klare Vorstellung. Die erfolgreichsten Ganoven der Moderne nutzen indes das Internet für ihre Raubzüge. Die Schäden in der Wirtschaft sind immens, doch man kann sich schützen.
So gut wie es den Unternehmen gerade geht: Die Gefahren sollte man dabei nicht übersehen. „Die deutsche Wirtschaft steht gut da“, erläutert Volker Wagner, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft, in seinem Impulsvortrag beim RP-Wirtschaftsforum „Sicherheit in Deutschland“. Die Rahmenbedingungen seien gut: funktionierender Warenaustausch, internationale Vereinbarungen, ein intaktes Finanzsystem und eine offene Gesellschaft. „Aber die Verletzlichkeit ist groß“, warnt Wagner, „alles ist vernetzt“.
Bei den Risiken hat die Allianz für Sicherheit vier globale Megatrends identifiziert: den Verfall von Staaten, ökonomische Verwerfungen, asymmetrische Kriegsführung und eben die digitale Vernetzung. Bei den Cybercrimes, den Verbrechen übers Internet, wird die Schadenshöhe auf 1,5 bis zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts geschätzt. Das wären allein in Deutschland mindestens 50 Milliarden Euro. Ähnlich kalkulieren auch andere Experten das Schadensvolumen.
„Der Faktor Mensch ist dabei ebenso wichtig wie die Technik“, sagt Wagner. Doch auch die Prozessabläufe in den Unternehmen müssten auf den Prüfstand, kritische Abläufe müssten besser geschützt werden. „Es gibt aber bereits einige gute Maßnahmen“, beobachtet Wagner und nennt als Beispiele die Initiative Wirtschaftsschutz der Bundesregierung im Kampf gegen Spionage und Sabotage oder die Allianz für Cyber-Sicherheit, die vom Bundesamt für Sicherheit (BSI) und dem Digitalverband Bitkom als Plattform initiiert wurden. Auch dass sich die globalen Akteure und Konzerne auf dem Weltwirtschaftsforum mit Cyberkriminalität beschäftigt haben, fällt dem Experten positiv auf: „Das gab es früher nicht.“
Wagner begrüßt ausdrücklich die Digitalisierung: „Sie ist mit großen Chancen verbunden. Deutschland muss diese auch nutzen.“Allerdings müsse man eben auch die Gefahren berücksichtigen: „Durch die Vernetzung und die CloudAnwendungen können auch Angreifer die Digitalisierung nutzen.“Die Angriffe reichen von der Spionage über den Datendiebstahl bis zur Manipulation der Öffentlichkeit. „Es ist unsere Aufgabe, hier Vertrauen aufzubauen“, appelliert Wagner an die Experten.
Diese bestätigen das in der anschließenden Diskussion. „Unternehmen müssen sich den globalen Herausforderungen anpassen und dürfen nicht in Insellösungen denken – das bedeutet, in sämtliche Strukturen und Prozesse ganzheitlich das Thema Sicherheit zu integrieren“, konstatiert Uwe Gerstenberg, Geschäftsführender Gesellschafter der consulting plus Unternehmensgruppe und Vorsitzender des Präsidiums der Deutschen Gesellschaft Zukunft und Sicherheit.
Kleine und mittelgroße Unternehmen könnten gemeinsam über die Verbände stark werden, ist Frank Ewald, Vice President Corporate Security Deutsche Post, überzeugt. Die bestehenden Initiativen seien gut, aber noch nicht ausreichend. „Wir brauchen Wirtschaftsschutz-Beauftragte in Unternehmen und Behörden“, ist sich Ewald mit Wagner einig. Stefan Bisanz, Geschäftsführender Gesellschafter beim Beratungsunternehmen consulting plus, beschreibt aus der Praxis: „Das Thema Sicherheit macht bei mittelständischen Unternehmen irgendjemand nebenher mit.“Bisanz appelliert an die Unternehmen, die Prävention ernstzunehmen. „Nach dem Schadenseintritt sind die Kosten viel höher.“Sicherheit müsse „ein natürlicher Bestandteil des Lebens werden, so wie man auch die Tür selbstverständlich abschließt“.
„Die Prävention beginnt meist erst, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist“, beobachtet Detlev Weise, Geschäftsführer des Kommunikationsdienstleisters exploqii, immer wieder. Im Mittelstand fehle das Wissen und die Erkenntnis über die Bedrohungslage. „Diebe kommen heute aber weniger durch die Tür, vielmehr durch die Datenleitung.“
Christian Scherg, Geschäftsführender Gesellschafter der Krisen- und Sicherheitsberatung Revolvermänner GmbH, ist überzeugt, dass es gerade deshalb von entscheidender Bedeutung ist, ganzheitlich sowohl virtuelle als auch reale Risiken bei der Sicherheitsarchitektur zu berücksichtigen. „Unternehmen müssen den wackeligen Spagat zwischen IT, Kommunikation und physischer Sicherheit auflösen. Nur die Kombination schafft einen sicheren Stand.“
„Die Prävention beginnt meist erst, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist“
Internet: Initiative Deutschland sicher im Netz: www.sicher-imnetz.de, Allianz für Cyber-Sicherheit: www.allianz-fuer-cybersicherheit.de, Initiative Wirtschaftsschutz (die sich insbesondere an kleinere und mittlere Unternehmen richtet): www.wirtschaftsschutz.info, Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft: www.asw-bundesverband.de