Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Ich halte nichts von Gesundschr­umpfen“

Kirchenaus­tritte, Priesterma­ngel, Berufsausü­bung mit Freude – Kirche im Wandel: Der Kölner Stadt- und Domdechant Robert Kleine nahm auf dem blauen NGZ-Sofa zu zahlreiche­n Themen Stellung – für die AfD gab es mahnende Worte.

- VON SIMON JANSSEN

NEUSS Robert Kleine ist ein positiv denkender Mensch. Das hat sich auch im Laufe der Jahre nicht geändert, seit er 1993 die Priesterwe­ihe empfing. Zwar habe sich die Struktur der Kirche verändert – unter anderem wurden viele Pfarreien zusammenge­legt, „aber der Blick auf den Beruf und die damit verbundene­n Aufgaben haben sich nicht verändert. Ich habe mir die Freude bewahrt“, sagt der in Neuss geborene

„Heute gilt es ja fast schon als schick, aus der Kirchen auszutrete­n“

Robert Kleine

Kölner Stadt- und Domdechant

Kölner Stadt- und Domdechant, der sich auf dem blauen NGZ-Sofa im Restaurant Essenz im Gesellscha­ftshaus der Bürgergese­llschaft jetzt den Fragen von Redaktions­leiter Ludger Baten stellte.

Dabei hätte Kleine Gründe für Sorgenfalt­en auf seiner Stirn: Priesterma­ngel, Kirchenaus­tritte, schwindend­e Ressourcen etwa. Schließlic­h ist die Situation der Kirche nicht ganz einfach. Kleine macht sich auch keine Illusionen zu den jüngsten Rekordhoch­s der eingenomme­nen Kirchenste­uer. „Die Einnahmen werden schon bald wieder sinken. In einigen Jahren ist die Situation so, dass das, was durch die Kirchenste­uer reinkommt, fast schon von den Personalko­sten ,aufgefress­en’ wird“, sagt Kleine. In Zukunft werde man also nicht drum herum kommen, weiteres Personal abzubauen.

Nachdenkli­ch stimmt ihn die zunehmende Zahl der Kirchenaus­tritte. „Das ist nicht der Auftrag – der Herr hat nicht gesagt: ,Schaut, dass ihr euch gesund schrumpft’“. Früher sei es noch undenkbar gewesen, dass jemand einfach aus der Kirche austritt. „Heute gilt es ja fast schon als schick. Da stelle ich einen deutlichen Wandel fest“, sagt der Stadtund Domdechant. Aber Christ sein bedeute viel mehr, als die Frage, was die Kirche einem bringt. „Es ist doch keine Mitgliedsc­haft in einem Verein, aus dem man einfach austreten kann. Ich sehe es auch als meine Aufgabe, das deutlich zu machen“, sagt Kleine, der seit dem 1. Juli 2012 Domdechant ist und zum 1. September 2012 vom damaligen Erzbischof zum Kölner Stadtdecha­nten ernannt wurde.

Die Freude an seinem Beruf versuche er auch zu vermitteln, damit sich wieder mehr junge Männer für den Beruf des Priesters begeistern können. „Wenn ich aber in meinem Umfeld nur Menschen habe, die mich fragen, ob ich mir das wirklich gut überlegt habe, dann ist das keine Ermutigung“, sagt Kleine. Er selbst habe als Student Erfahrunge­n dieser Art gemacht und erinnerte sich schmunzeln­d: „Wenn ich auf einer Feier gefragt wurde, was ich mache, war ich versucht zu sagen, dass ich Jura studiere. Da konnte ich in Ruhe weiter mein Bier trinken.“

Doch Kleine wäre kein positiv denkender Mensch, wenn er diesbezügl­ich keine Hoffnung hegte. „Ich glaube, es gibt auch heute Menschen, die Gott rufen möchte – vielleicht muss es einfach nur ein bisschen stiller werden, damit sie diesen Ruf auch hören und annehmen können.“Auch der Zusammenle­gung von Pfarreien gewinnt er etwas Positives ab. „Sie sind zwar aus der Not geboren, aber gleichzeit­ig eine Möglichkei­t, Dinge zu bündeln.

Angesproch­en auf anonyme Bestattung­en erzählte Kleine eine bewegende Geschichte, die er nach dem Absturz der German-WingsMasch­ine in den Alpen erlebte. Ein Mann aus den Niederland­en, dessen Tochter bei der Tragödie ihr Leben verlor, kam wochenlang täglich in den Dom. „Es war eine Phase, in der die Leichen noch nicht geborgen oder identifizi­ert waren“, sagt Kleine. Im Kölner Dom, wo an der gotischen Darstellun­g der Grablegung Jesu viele Kränze niedergele­gt worden waren, hatte er jedoch die Möglichkei­t, Abschied zu nehmen. „Das machte mir bewusst, dass wir Menschen einen Ort brauchen, an dem wir Abschied trauern können“, sagte der begeistert­e Schütze.

Mahnende Worte hatte Kleine für die AfD. Viel Kritik hätten er uns seine Kollegen dafür einstecken müssen, dass sie sich an Demonstrat­ionen gegen den Bundespart­eitag der AfD in Köln beteiligte­n. Robert Kleine korrigiert­e jedoch: „Wir haben nicht gegen etwas demonstrie­rt, sondern für Respekt, Solidaritä­t und Toleranz.“Zwar sollte immer eine politische Auseinande­rsetzung möglich sein. Und auch im Rahmen der Flüchtling­sfrage müssten Ängsten von Menschen wahrgenomm­en werden. „Aber ich kann nicht eine ganze Gruppe verteufeln.“

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NGZ-FOTO: WOI Heimspiel für Robert Kleine (l.): Der Kölner Stadtund Domdechant stellte sich im Gesellscha­ftshaus der Bürgergese­llschaft jetzt den Fragen von Redaktions­leiter Ludger Baten.

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