Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Die Mildtätigkeit
Gemeinsam mit seinem Bruder Franz erhielt der aus Göttingen stammende Künstler Johannes Riepenhausen eine Ausbildung bei seinem Vater und später bei den klassizistischen Malern Wilhelm und Johann Heinrich Tischbein. In Dresden kamen die Brüder mit der Kunst der Romantiker in Berührung. Die nächste Station war Rom, wo sie schnell Bekanntschaft mit der Gruppe der sogenannten Nazarener machten. Die Werke Riepenhausens entstanden fortan in Anlehnung an die künstlerischen Ideen und Ideale der Gruppierung. So auch das schöne Aquarell aus der Sammlung des Clemens Sels Museums Neuss. In der Mitte der Darstellung findet sich die personifizierte Barmherzigkeit in Form einer Frauengestalt. In der Rechten hält sie eine Schale, die sie einer vor ihr knieenden Mutter und ihrem Kind reicht. Im linken Bildteil finden sich weitere Bedürftige: Ein alter Mann, der sich auf einen Stock und die Schulter seines jungen Begleiters stützen muss, dahinter ein Krüppel, der es nur mit großer Mühe zur Essensausgabe geschafft hat. Dass sich die barmherzige Frau einer realen Person zuordnen lässt, ist daran zu erkennen, dass sie auf der Darstellung als Heilige verehrt wird: Ein betendes Mädchen in der Gruppe der Hilfesuchenden schaut sie mit verklärtem Blick an. In der rechten oberen Bildecke ist eine kleine Gruppe mit Putten platziert, die das barmherzige Handeln beobachtet. Zwei Engel begleiten die Heilige als Helfer. Der eine hält einen Korb mit Früchten und Brot, der andere trägt Kleidung oder Decken. Als Vorlage für die Darstellung auf dem Neusser Blatt diente Riepenhausen sein eigenes Bild, das Elisabeth von Thüringen zeigt. Die bereits kurz nach ihrem Tod Heiliggesprochene machte es sich früh zur Aufgabe, sich selbstlos um Arme zu kümmern. Schnell wurde sie zum Symbol der Nächstenliebe. Die hoheitsvolle Gestalt auf dem feinen Bild aus dem Neusser Museum ist eindeutig mit ihr zu identifizieren.