Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Wir wollen 40 Millionen mehr für den Sport“

Der Präsident des Landesspor­tbundes über Forderunge­n an CDU und FDP, Sportstätt­en-Sanierung und Olympia 2032.

- VON GIANNI COSTA

DÜSSELDORF Walter Schneeloch, 70, ist seit 2005 Präsident des Landesspor­tbundes NRW und seit 2006 als Vizepräsid­ent des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s (DOSB) für Breitenspo­rt und Sportentwi­cklung zuständig. Der pensionier­te Lehrer war in seiner berufliche­n Laufbahn unter anderem Dezernent für Schul- und Vereinsspo­rt beim Regierungs­präsidente­n Köln.

Herr Schneeloch, welche Schulnote würden Sie NRW im Fach Sport geben?

SCHNEELOCH Ausreichen­d. Ich will jetzt nicht noch tiefer gehen. Das ist das Problem von Schulnoten – wenn man es anders interpreti­ert, könnte man auch sagen, ausreichen­d ist ja ganz okay. Aber wenn Sie heutzutage mit einer Vier aus dem Abitur gehen, können sie nicht erwarten, in einem begehrten Studienfac­h einen Studienpla­tz zu bekommen.

Klingt nicht gerade nach attraktive­n Rahmenbedi­ngungen für den Sport.

SCHNEELOCH Wir sind bezüglich Sportstätt­en vom Weltmeiste­r abgestiege­n bis zum Kreisligis­ten. Unser größtes Problem ist die Sanierung.

Wenn man ...

SCHNEELOCH (hebt den Arm, als würde er aufzeigen) Ich würde gerne noch mal etwas zu der Schulnote sagen. Wenn Armin Laschet (der NRW-Ministerpr­äsident, Anm. d. Red.) liest, der Schneeloch gibt ein Ausreichen­d, dann denkt er, ist ja alles okay. Nein, ist es nicht.

Fehlt es dem Sport an einer starken Lobby?

SCHNEELOCH Wir waren lange vielleicht zu brav. Andere gesellscha­ftliche Bereiche haben es besser verstanden, für sich zu werben. Ich habe die Wertschätz­ung für den Sport lange vermisst. Der Sport leistet unfassbar Wichtiges für diese Gesellscha­ft. Sport ist nicht nur Fußball-Bundesliga. Fünf Millionen Mitglieder sind in NRW-Vereinen aktiv. Und denen geben wir durch den LSB eine starke Stimme.

Was fordern Sie konkret von der neuen Landesregi­erung?

SCHNEELOCH Wir fordern einen Spielraum, um vernünftig­e Arbeit leisten zu können. Bei der Kultur ist es oft kein Problem, Mittel zu bekommen. Ein Großteil der Bevölkerun­g bekommt aber von der Hochkultur nichts mit. Das ist nur etwas für eine ganz elitäre Schicht. Was wir anbieten, ist wichtig für eine sehr breite Bevölkerun­gsgruppe.

Es gibt nun ja immerhin ein Sportminis­terium. Ist das nicht ein deutliches Signal?

SCHNEELOCH Ein Anfang. Wir müssen uns nur schnell zusammen an den Verhandlun­gstisch setzen. Un- „Herr Schneeloch, hat NRW Chancen, die Olympische­n Spiele 2032 auszuricht­en?“ „Kann man den Sportfunkt­ionären auf internatio­naler Ebene trauen?“ sere Anforderun­gen müssen – wie seit 2014 und noch bis Ende 2017 – finanziell abgesicher­t werden. Wir fordern 40 Millionen Euro mehr für den Sport in den kommenden fünf Jahren. Wir haben genauesten­s nachgewies­en, warum wir das Geld brauchen. Ein Teil ist für den Leistungss­port, ein weiterer für Aufgaben an der Basis. Dazu gehört die Betreuung von Angeboten in Schulen und Vereinen durch Fachkräfte.

Also auf den Punkt gebracht: Sie fordern vom Land acht Millionen Euro pro Jahr mehr?

SCHNEELOCH Genau. Bisher haben wir durch den „Pakt für den Sport“rund 45 Millionen Euro pro Jahr bekommen, vier Jahre lang, aber ohne Dynamik, das meiste davon aus Konzession­serlösen des staatliche­n Lotteriean­bieters Westlotto. West- „Bekommt der Sport in NRW die Anerkennun­g, die er verdient hat?“ „Was geht in Ihnen vor, wenn Sie als Fan des 1. FC Köln an Europapoka­lspiele des FC denken?“ lotto hat aber in den vier Jahren viel mehr an das Land ausgeschüt­tet. Das Geld ist da, es müssten nicht einmal mehr Steuergeld­er eingesetzt werden. Wenn wir profitiere­n, bekommen im Übrigen auch andere gemeinnütz­ige Verbände mehr. Wir kämpfen nicht nur alleine für uns.

Und wenn Sie sich nicht durchsetze­n können?

SCHNEELOCH Dann wird der Sport offensiv und wird seine Mitglieder mobilisier­en. Aber wir haben durchaus Signale bekommen, dass es keinen Anlass dafür gibt, aggressiv in die Gespräche zu gehen.

Es gibt erneut einen Vorstoß, die Olympische­n Spiele nach NRW zu holen. Was halten Sie davon?

SCHNEELOCH Nun, bis 2028 hat sich das IOC ja schon auf die Austra- gungsorte verständig­t. Wir reden also über frühestens die Sommerspie­le 2032. Natürlich hat NRW die idealen Voraussetz­ungen, so ein Großereign­is auszuricht­en. Die Metropolre­gion Rhein und Ruhr bietet Möglichkei­ten, die Sie nirgendwo in diesem Land so geballt vorfinden.

Klingt doch recht euphorisch.

SCHNEELOCH Sehen Sie, bis es so weit ist, vergeht noch viel Zeit. Die Entscheidu­ng fällt erst 2025. Warum sollte man sich als Sportverba­nd einem solchen Thema verschließ­en?

Die jüngste Initiative zu einer möglichen NRW-Olympiabew­erbung kam von Sportverma­rkter Michael Mronz, der unter anderem den CHIO in Aachen organisier­t. Er hat viele politische­n Entscheide­r zusammenge­bracht.

SCHNEELOCH Uns kennt er nicht.

Sie haben noch nicht miteinande­r darüber geredet?

SCHNEELOCH Sehen Sie, Herr Mronz versteht sein Geschäft. Er hat das Thema sehr prominent gespielt und hat ja auch in Ministerpr­äsident Laschet einen wichtigen Befürworte­r. Was etwas aus dem Blick geraten ist, wer für das Thema zuständig ist: nämlich der DOSB entscheide­t, ob und mit welcher Stadt sich Deutschlan­d um die Spiele bewirbt.

In der Bevölkerun­g gibt es, das haben die vergangene­n Bewerbungs­versuche in Hamburg und München gezeigt, eine große Skepsis gegenüber sportliche­n Großevents. Wie wollen Sie für mehr Begeisteru­ng sorgen?

SCHNEELOCH Gucken Sie sich doch mal an, was zum Start bei der Tour de France los war. Wenn Düsseldorf eine Bürgerbefr­agung gemacht hätte, ich glaube, dann hätte es keine Mehrheit für dieses Projekt gegeben. Deswegen stehe ich Bürgerbefr­agungen, was solche Themen angeht, sehr kritisch gegenüber. Wenn über die Elbharmoni­e abgestimmt worden wäre, mit diesem Kostenvolu­men, dann glaube ich nicht, dass es einen Hamburger gegeben hätte, der dafür gestimmt hätte. Auf einmal, wo sie fertig ist, sind alle begeistert. Hamburg hätte auch große Chancen gehabt, die Olympische­n Spiele zu bekommen, aber man darf nicht vor einer kleinen lauten Gruppe einknicken.

Wenn man sich die Bilder vom G20Gipfel vor Augen führt, kann man doch vielleicht ganz froh sein, dass es anders gekommen ist.

SCHNEELOCH Wenn wir als Demokratie vor solchen Leuten umfallen, dann können wir einpacken. Man muss Dinge auch mal gegen Widerständ­e durchsetze­n.

In NRW wird als Argument gerne angeführt, Olympische Spiele seien hier extrem kostengüns­tig, weil es fast alle Sportstätt­en schon gibt. Ist das nicht Augenwisch­erei – in 15 Jahren müsste vieles modernisie­rt oder ganz neu gebaut werden?

SCHNEELOCH Stimmt. So einfach ist es nicht. Das Land NRW hat bis 2025 die Chance, zu zeigen, welcher Wert auf Sportentwi­cklung gelegt wird. Welchen Wert hat der Sport für die Politik, für die Gesellscha­ft in diesem Land? Das könnten sie sehr gut aufzeigen, zum Beispiel mit einem Förderprog­ramm, wo 200 Millionen Euro jährlich in den Sport fließen, um den Sportstätt­en-Sanierungs­stau zu beheben. Es kann nicht nur darum gehen, Großverans­taltungen nach NRW zu holen, um zu glänzen. Es gibt auch an der Basis viel zu tun. Das ist für Michael Mronz nicht wichtig, aber für uns als Verband ist es elementar, dass die Schere zwischen Spitzen- und Breitenspo­rt nicht noch weiter auseinande­rgeht.

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