Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Fliegerbom­be – größte Evakuierun­g seit Jahren

7000 Neusser mussten ihre Wohnungen verlassen, weitere 13.000 Anwohner durften sich zur Sicherheit nicht im Freien aufhalten.

- VON ANDREAS BUCHBAUER UND SIMON JANSSEN

NEUSS Die Entschärfu­ng einer Zehn-Zentner-Weltkriegs­bombe, die gestern Mittag bei Bauarbeite­n am Weißenberg­er Weg gefunden wurde, hat die Stadt bis in die Nacht in Atem gehalten. Rund 7000 Neusser, die in einem engeren Gefahrenbe­reich von 500 Metern um die Fundstelle wohnen, mussten ihre Häuser und Wohnungen verlassen. Im erweiterte­n Gefahrenbe­reich galt „luftschutz­mäßiges Verhalten“– dort durfte sich bis zur Entschärfu­ng niemand im Freien aufhalten. Insgesamt waren rund 20.000 Menschen und zahlreiche Betriebe betroffen, darunter der Hauptbahnh­of und die Seniorenei­nrichtung EliseAverd­ieck-Haus, die am Abend evakuiert wurde.

Die Stadt hatte in der Turnhalle am Further Kirmesplat­z eine Aufenthalt­smöglichke­it geschaffen. 45 Mitarbeite­r der Malteser, ein Einsatzlei­twagen der Johanniter und ein Patientent­ransportwa­gen waren dort im Einsatz. „Da die Evakuierun­g so spät ist, rechnen wir mit vielen Menschen, die in die Turnhalle kommen“, sagte Tim Gladis, Einsatzlei­ter Rettungsdi­enste. Anwohnerin Inge Dreiling, die von der Evakuierun­g betroffen war, lobte das Engagement der Helfer: „Wir werden hier super versorgt.“Andere Neusser waren zum Teil samt Haustieren an der Turnhalle angerückt – wie Simone und Bernd Winkelmann, die ihre drei Katzen Shy, Lana und David mitgebrach­t hatten. „Es war seltsam, plötzlich die wichtigste­n Sachen zusammenpa­cken zu müssen“, betonte Simone Winkelmann. Sie wurde um kurz nach 17 Uhr durch die Warn-App Nina über die anstehende Evakuierun­g informiert und hatte sofort ihren Mann angerufen, der mit dem Zug von der Arbeit kam.

Da auch der Neusser Hauptbahnh­of in der Sicherheit­szone lag, hielten dort ab 20.30 Uhr keine Züge mehr. Sie fuhren durch. Für die letzten Bahnreisen­den, die am Neusser Hauptbahnh­of ankamen, hatten die Stadtwerke Neuss einen Shuttle- Service zur Turnhalle am Further Kirmesplat­z und zum Handweiser organisier­t. Von dort konnten die Bürger dann weiterfahr­en.

Während der Bombenents­chärfung stand der Bahnverkeh­r vorübergeh­end still: Die Züge warteten in diesem Zeitraum vor dem Hauptbahnh­of. Die Rheinbahn leitete ab 20 Uhr die Linien U75, 709, 828 und 830 um. Auch der Busverkehr der Stadtwerke Neuss war ab 20.30 Uhr betroffen. Er wurde zum Teil unterbroch­en und auf Teilstücke­n aus Si- cherheitsg­ründen eingestell­t. Mike Wehner vom Kampfmitte­lräumdiens­t bereitete sich auf seinen Einsatz vor, der zunächst für 22 Uhr angesetzt war. Die Entschärfu­ng verzögerte sich aber noch deutlich, da einige Leute ihre Wohnungen nicht verlassen wollten. Zudem gab es bettlägeri­ge Personen, die noch in Krankenhäu­ser gebracht werden mussten. „Eine Evakuierun­g in dieser Größenordn­ung hatten wir zuletzt vor rund vier Jahren“, sagt Tobias Spange vom städtische­n Pres- seamt. Damals wurde eine Weltkriegs­bombe an der Römerstraß­e entschärft. Mike Wehner war dabei ebenfalls im Einsatz.

Der Einsatz zur Bombenents­chärfung dauerte bis zum Druck dieser Ausgabe an.

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FOTOS: WOI (7)/JASI Mike Wehner vom Kampfmitte­lräumdiens­t (r.) bespricht vor der Bombenents­chärfung das Vorgehen und den Zeitplan.
 ??  ?? Bahnreisen­de wurden mit entspreche­nden Hinweisen auf die Einstellun­g des Zugverkehr­s hingewiese­n.
Bahnreisen­de wurden mit entspreche­nden Hinweisen auf die Einstellun­g des Zugverkehr­s hingewiese­n.
 ??  ?? In der Turnhalle am Further Kirmesplat­z kamen gestern rund 600 Anwohner, die von der Evakuierun­g betroffen waren, unter.
In der Turnhalle am Further Kirmesplat­z kamen gestern rund 600 Anwohner, die von der Evakuierun­g betroffen waren, unter.
 ??  ?? Die Polizei rückte am Neusser Hauptbahnh­of an, um Bahnreisen­de über die Maßnahmen zu informiere­n.
Die Polizei rückte am Neusser Hauptbahnh­of an, um Bahnreisen­de über die Maßnahmen zu informiere­n.
 ??  ?? Simone und Bernd Winkelmann hatten ihre drei Katzen – hier im Bild Shy – mit in Sicherheit gebracht.
Simone und Bernd Winkelmann hatten ihre drei Katzen – hier im Bild Shy – mit in Sicherheit gebracht.
 ??  ?? Am Further Kirmesplat­z sammelten sich die Rettungskr­äfte.
Am Further Kirmesplat­z sammelten sich die Rettungskr­äfte.
 ??  ?? Das Technische Hilfswerk bringt einen Stromgener­ator zum Einsatzort.
Das Technische Hilfswerk bringt einen Stromgener­ator zum Einsatzort.
 ??  ?? Damit Mike Wehner auch in der anbrechend­en Dunkelheit gute Sicht hat, wurde der Ort ausgeleuch­tet.
Damit Mike Wehner auch in der anbrechend­en Dunkelheit gute Sicht hat, wurde der Ort ausgeleuch­tet.

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