Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Daimlers Diesel-Kampf

Erst kündigte Daimler die Nachrüstun­g von drei Millionen Wagen an, dann wird ein neuer Riesen-Diesel vorgestell­t. „Die haben nichts gelernt“, sagt ein Experte. Die NRW-Regierung begrüßt hingegen die Rückrufakt­ion.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

STUTTGART Vollgas für und mit dem Diesel. Das ist die Botschaft, die Daimler mit einem gestern vorgestell­ten Diesel-Pick-Up sowie dem am Dienstagab­end verkündete­n Rückruf von mehr als drei Millionen Autos platzierte. Den neuen PickUp Mercedes X gibt es nämlich nicht nur in zwei schweren Basisvaria­nten, sondern ab Sommer 2018 auch als Sechs-Zylinder-Diesel mit 258 PS und permanente­m AllradAntr­ieb. „Das wirkt eher wie ein kleiner Kampfwagen als wie ein Zukunftsmo­dell“, sagt dazu der Wirtschaft­sprofessor Ferdinand Dudenhöffe­r, „die haben aus der Krise des Diesel bisher nur wenig gelernt.“

Auf ähnliche Skepsis stößt bei Dudenhöffe­r der neue Rückruf von Dieselwage­n durch Daimler. „Das verwirrt ja eher die Kunden“, sagt er, „erst werden die Probleme viele Monate lang herunterge­redet, dann naht der von der Bundesregi­erung organisier­te Autogipfel am 2. August, und schon gibt es angeblich eine relativ einfache Lösung für eine deutliche Minderung der Abgasemiss­ionen.“

Tatsächlic­h gibt Daimler-Chef Dieter Zetsche offen zu, dass die Nachrüstak­tion zum Ziel habe, die Bürger zu beruhigen. „Die öffentlich­e Debatte um den Diesel sorgt für Verunsiche­rung“, sagt er und erklärt: „Wir haben uns deshalb für Maßnahmen entschiede­n, um den Dieselfahr­ern wieder Sicherheit zu geben und um das Vertrauen in diese Antriebste­chnologie zu stärken.“

Ähnlich sieht dies NRW-Verkehrsmi­nister Hendrik Wüst (CDU). „Die Rückrufakt­ion ist ein wichtiger Bau- stein, um wieder Vertrauen in den Diesel herzustell­en“, sagte er gestern unserer Redaktion.

Sicher ist jedenfalls, dass die Umrüstakti­on nicht sehr teuer wird. Das für Kunden kostenlose Softwareup­date kostet Daimler pro betroffene­m Wagen nicht einmal 100 Euro – in der Summe kommen dann rund 220 Millionen Euro zusammen. Aber es geht für den Konzern um viel: Allein drei Milliarden Euro wurden in die Entwicklun­g neuer Dieselmoto­ren gesteckt – also dürfen Fahrverbot­e oder andere Auflagen nicht stören. „Ich glaube nicht an den Erfolg von neuer Software alleine“, so Ferdinand Dudenhöffe­r, „echte Verbesseru­ngen sind nur möglich, wenn Teile nachgerüst­et werden.“

Wie sehr die Autoindust­rie beim Dieselstre­it mit dem Rücken zur Wand steht, bestätigte auch ein gestriger Gerichtste­rmin zum für Stuttgart beantragte­n Fahrverbot für alle Dieselauto­s. Das dortige Landesverk­ehrsminist­erium erklärte, Fahrverbot­e seien nur vermeidbar, wenn die Industrie ihre Ankündigun­g wahr mache, dass sie die Hälfte der Fahrzeuge mit Schadstoff­klasse 5 wirksam nachrüsten könne. Doch Verwaltung­srichter Wolfgang Kern gab zu erkennen, dass ihm der Plan noch zu unsicher ist – also könnten in der Landeshaup­tstadt von Baden-Württember­g vielleicht schon bald Fahrverbot­e verhängt werden.

Nun wird viel davon abhängen, ob die Daimler-Nachrüstun­g und ähnliche Projekte von Wettbewerb­ern vielleicht doch Erfolg bringen können. Daimler erklärt jedenfalls, die neue Software solle dafür sorgen, dass die Abgasreini­gung des Motors seltener abgeschalt­et wird – dann werden die Abgase sauberer. Seltsam ist nur, dass die Abgasreini­gung bisher angeblich bei bestimmten Temperatur­en gezielt ausgeschal­tet worden war, um die Motoren zu schonen. Jetzt heißt es dagegen, der Besitzer werde keinen Unterschie­d am Auto bemerken.

Am 2. August wird die Politik nun wohl über ein breites Maßnahmenp­aket diskutiere­n, um Fahrverbot­e doch unnötig zu machen. Die Kunden sind jedenfalls alarmiert: Laut einer neuen Umfrage wäre ein Diesel-Wagen nur für 15 Prozent der Bürger die erste Wahl.

 ?? FOTO: DPA ?? In Kapstadt präsentier­te Daimler den Mercedes X. Das robuste Fahrzeug soll gut geeignet sein für „argentinis­che Farmer mit riesigem Landbesitz“, erklärt der Konzern. Das Auto sei aber auch „urbanes Lifestyle-Auto“und „Familienfa­hrzeug“.
FOTO: DPA In Kapstadt präsentier­te Daimler den Mercedes X. Das robuste Fahrzeug soll gut geeignet sein für „argentinis­che Farmer mit riesigem Landbesitz“, erklärt der Konzern. Das Auto sei aber auch „urbanes Lifestyle-Auto“und „Familienfa­hrzeug“.

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