Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Neues Milliarden-Risiko bei Banken

Laut Bundesgeri­chtshof dürfen Kreditinst­itute bei Firmenkred­iten neben den Zinsen keine speziellen Gebühren verlangen. Dies könnte 4,5 Milliarden Euro kosten, rechnet ein Experte vor. Anwälte raten, Klagen vorzuberei­ten.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

KARLSRUHE/FRANKFURT Vor bereits 17 Tagen hat der Bundesgeri­chtshof (BGH) ein Urteil veröffentl­icht, dessen mögliche Folgen für Deutschlan­ds Kreditinst­itute erst jetzt richtig deutlich werden. Mehrere Anwaltskan­zleien bundesweit empfehlen Unternehme­n, Klagen vorzuberei­ten, um zu Unrecht verlangte Bearbeitun­gsgebühren für Kredite zurückzuer­halten. Und der Düsseldorf­er Bankenexpe­rte Peter Barkow hat eine für die deutsche Kreditwirt­schaft schockiere­nde Rechnung aufgemacht: Banken und Sparkassen droht, dass sie rund 4,5 Milliarden Euro an zu Unrecht einbehalte­nen Gebühren an Kreditkund­en zurückzahl­en müssen. „Da könnte noch einiges auf die Branche zukommen“, sagt Barkow. „Es geht da ja um erhebliche Beträge, die Firmenkund­en zurückford­ern können.“

Der Hintergrun­d: Am 4. Juli gab der BGH bekannt, dass Banken auch bei Unternehme­n keine standardis­ierten Bearbeitun­gsgebühren als Zuschlag neben den Zinsen verlangen dürfen. Damit dehnte er ein bereits 2014 gefälltes Urteil zu Privatkred­iten auf die Wirtschaft aus. Und schon in der bereits vorliegend­en kurzen Begründung des Urteils von nur anderthalb Seiten wird festgehalt­en, Firmenkund­en müssten vor unangemess­enen Geschäftsb­edingungen ebenso wie Privatkund­en geschützt werden. Sie könnten sich nämlich so wie diese nicht gegen „einseitige Gestaltung­smacht“wehren.

Im Klartext: „Der Bundesgeri­chtshof vermutet hier einen Machtmissb­rauch durch das Kreditinst­itut“, sagt der Düsseldorf­er Anwalt Julius Reiter. Er rät: „Betroffene Firmen sollten den Rechtsweg vorbereite­n, da es sich ja alleine für ein Unternehme­n schnell um einige zehntausen­d Euro handeln kann.“

Die große Frage ist nun, wie hoch die Rückzahlun­gen sein werden. Laut Bundesbank haben die Geldin- stitute aktuell 902 Milliarden Euro an Firmenkred­iten vergeben. Jedes Jahr werden davon schätzungs­weise rund 150 Milliarden Euro neu zugeteilt – der Betrag, auf den die einmalige Bearbeitun­gsgebühr entfällt. Weil das Urteil wegen Verjährung aber voraussich­tlich nur Kredite trifft, die jünger als drei Jahre sind, müssen also auf Kredite von rund 450 Milliarden Euro nun Aufschläge zurückgeza­hlt werden. „Wenn wir ein Prozent als durchschni­ttliche Bearbeitun­gsgebühr annehmen, kommen so 4,5 Milliarden Euro an möglicher Erstattung zusammen“, sagt Barkow.

Tatsächlic­h könnte der Wert auch viel niedriger liegen. So weist der Bundesverb­and der Volks- und Raiffeisen­banken darauf hin, er habe schon nach einem ersten Urteil eines Oberlandes­gerichtes zu Privatkred­iten aus dem Jahr 2012 allen Mitglieder­n empfohlen, auf Bearbeitun­gsgebühren zu verzichten. Dies wurde dann nach dem BGHUrteil 2014 bekräftigt.

Weniger gut stehen die Sparkassen da. Ihr Bundesverb­and hat laut eigener Angabe das Entgelt für Kredite im Februar dieses Jahres aus den Formularen für Firmenvert­räge rausgenomm­en. Also könnten Verträge zwischen Juli 2014 bis Februar 2017 nachträgli­ch angefochte­n werden.

Wie viele Kredite insgesamt betroffen sind und mit welchen Summen, ist nicht bekannt. Die Bundesanst­alt für Finanzdien­stleistung­saufsicht (BaFin) hat bisher keine Umfrage bei den Geldhäuser­n zu dem Thema gestartet, erfuhr unsere Redaktion aus Branchenkr­eisen. Gegenüber der „Süddeutsch­en Zeitung“erklärt ein anonym bleibender Vorstand eines Geldhauses: „Das ist eine absolut schlimme Sache. Das kommt zur absoluten Unzeit.“

Gemeint ist, dass die Banken schon genug unter den Folgen der Niedrigzin­sen leiden – da sind drohende Milliarden­rückzahlun­gen keine gute Nachricht.

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FOTO: DPA Der Bundesgeri­chtshof

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