Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Eisblumen im Sommer
Kräuter sind die Stars in der Küche, doch auch die Blüten verdienen Beachtungen – zum Beispiel in Dressing, Eiswürfeln oder Limonaden.
Kaninchen lieben Gänseblümchen, doch im nächsten Frühjahr sollte man nicht alle Blüten auf dem Rasen dem Karnickel überlassen. „Gänseblümchen schmecken ganz wunderbar in einem Frühlingssalat“, schwärmt Burkhard Bohne. Er leitet den Arzneipflanzengarten der Technischen Universität Braunschweig, gibt Kräuter-Seminare und ist erfolgreicher Autor von Kräuter-Büchern. Und setzt sein Wissen dafür ein, dass die Menschen mehr Blumen essen.
Denn viele Blüten haben ein ganz besonderes Aroma und können die Küche nicht nur farbenfroher, sondern auch vielseitiger gestalten. „Die Bandbreite reicht von süßlich bis scharf und würzig“, betont Bohne. Die großen orangefarbenen oder gelben Blüten der Kapuzinerkresse schmecken pfeffrig. SalatChrysantheme und Gewürztagetes peppen Grünzeug auf. Malvenblüten aromatisieren Salate oder Eistees. Getrocknete Lavendelblüten schmecken in Aprikosenkonfitüre, in Zitronenkuchen, aber auch zu Fisch und Fleisch. „Das ist aber wirklich nicht jedermanns Fall“, schränkt Bohne ein. Für Süßspeisen eignen sich Rosen, Veilchen, Stiefmütterchen oder Duftgeranien. „Sie schmecken je nach Sorte herb, süßlich, zitronig oder gar nach Schokolade.“Klatsch-Mohn und Kornblumen bringen Farbtupfer.
Wenn Basilikum, Minze oder Schnittlauch ins Kraut schießen und Blüten bilden, ist das für den Gärtner mitunter kein gutes Zeichen. Dabei haben auch diese Blüten ihr Gutes. „Wir sind es so gewohnt, nur die Blätter der Kräuter zu verwenden, dass wir die Blüten gar nicht zu schätzen wissen“, sagt der Fachmann. Dafür haben Minzblüten ein ganz feines Aroma und sind zum Beispiel ein kleiner Frischekick für selbst gemachte Limonaden. Thymian- oder Rosmarin- knospen schmecken in Salat, Marinaden oder Saucen. Die rosa Kugeln des Schnittlauchs bringen Schärfe auf ein Brot mit Frischkäse. „Auch Borretsch ist eine ganz tolle Blüte“, stellt Bohne fest.
Ein besonderer Clou für Cocktails oder Limonaden sind Eiswürfel mit Blüten. „Das sieht einfach toll aus“, betont der Experte. Die Blüten füllt man am besten mit kohlesäurefreiem Mineralwasser auf, das trübt beim Frieren nicht so ein wie Leitungswasser.
Vor allem die orientalische Küche setzt bei Süßspeisen häufig auf Rosenwasser, das vor allem aus der Damaszener-Rose gewonnen wird. Aber auch heimische Rosen, vor allen Dingen Wildrosen oder die Heckenrose, eignen sich zum Verzehr. „Aus getrockneten Rosenblüten und Zucker kann man ganz einfach einen sehr schmackhaften Rosenzucker herstellen“, erklärt Bohne. Dieser eignet sich für alle Süßspeisen, zum Beispiel sahnige Cremes, aber auch für Cocktails. Aus getrockneten Rosenblättern und Butter lässt sich eine Rosenbutter herstellen, die sowohl auf süßem Brot oder – fügt man würzige Thymianblüten hinzu – auf kräftigem, dunklem Brot gut schmeckt.
Manche Blüten sind quasi wie ein Gemüseersatz, zum Beispiel Zucchini- und Kürbisblüten, die mit Hackfleisch oder einer Ricotta-Parmesan-Creme gefüllt werden können. Auch die Knospen der Taglilien lassen sich wie dünne Spargelstangen in der Pfanne sautieren.
Wichtig ist der Zeitpunkt der Ernte: Am besten pflückt man die Blüten, wenn sie gerade voll aufgeblüht sind. „Man muss als Gärtner die Entscheidung treffen: Will man sich am Anblick der Blumen erfreuen oder sie essen?“, stellt Bohne fest. Bei einigen Arten ist es wichtig, dass nicht nur die Blütenblätter, sondern auch der -boden mitgepflückt wird, etwa beim Hornveilchen. Am aromatischsten ist die Blüte am Morgen, weil sie dann noch nicht lange geöffnet war und die Düfte noch nicht verflogen sind. Vor dem Verzehr sollte man die Blumen nur sacht ausschütteln, damit kleine Insekten nicht im Salat landen. Auf keinen Fall darf man die sensiblen Blüten waschen: Dabei verlieren sie an Form, Farbe und Geschmack.
Blüten lassen sich leicht selbst trocknen. Am besten breitet man sie auf Backpapier lose aus, sie brauchen viel Luft, damit sie nicht anfangen zu schimmeln. Anschließend bewahrt man sie in Papiertütchen und Metalldosen (am besten solche ohne Gummiringe) auf. So bleiben sie lange haltbar und sind zum Beispiel in Tee, Limonaden oder Essig lange aromatisch. „Besonders für den Herbst und den Winter ist es praktisch, Essig zum Beispiel mit Kräuterblüten zu aromatisieren“, sagt Bohne.
Natürlich sollte man nur Blüten sammeln, die frei sind von Pestiziden und anderen Schadstoffen – und nur diejenigen, die man auch kennt. Denn es gibt auch einige giftige Blüten wie zum Beispiel Kartoffeln, Bohnen, Auberginen, Wicken, Rhododendron, Fingerhut, Eisenhut, Clematis und Rittersporn.
Was heute wieder neu entdeckt wird, war früher gang und gäbe. Statt des teuren Safrans färbte die Ringelblume Teig und Saucen gelb. „Heute kann man sie dazu zum Beispiel für ein Risotto verwenden“, sagt Bohne.