Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Joachims Opferlamm
Am 26. Juli ist der Gedenktag für Ann und Joachim. In dem zweiten Blatt seines 1511 in Buchform veröffentlichten Marienlebens schildert Albrecht Dürer ein wichtiges Ereignis im Leben von Anna und Joachim, den spätberufenen Eltern der Gottesmutter Maria. Der 1503/04 entstandene Holzschnitt zeigt die Abweisung von Joachims Opferlamm durch den Hohepriester des Jerusalemer Tempels. Die Kinderlosigkeit des Paares gilt als gotteslästerlich und der Hohepriester beschimpft Joachim mit den Worten „Kinderloser Greis, was erdreistet du dich, in der Gemeinschaft mit gesegneten Leuten vor Gottes Antlitz zu treten?“.
Zornig schiebt er das Opferlamm vom Tisch, während sein Gehilfe die Annahme eines kleinen Taubenkäfigs verweigert, vermutlich eine Gabe der sichtlich um Fassung ringenden Anna.
Dem rechts vor dem Opfertisch stehenden kinderlosen Paar stellt Dürer auf der linken Seite einen grobschlächtig wirkenden Vater mit seinem Sohn gegenüber, dessen Opfer anscheinend Gefallen findet und angenommen wird. Diese Zweiteilung der Szene bezüglich der Hauptfiguren verdeutlicht Dürer auch in raumgestaltenden Details. Eine große Falte im Tischtuch trennt die Personengruppen, das Mauerwerk des Tempels über dem Paar ist schadhaft und rissig, der Vorhang gerafft und leicht geöffnet. Der Lichteinfall aber lässt ihre Gewänder heller leuchten als die der übrigen Personen. Damit verweist der Künstler symbolisch auf die göttliche Gnade, die Anna und Joachim zu Teil werden wird, denn nach der erlittenen Schande im Tempel verheißt ihnen ein Engel Gottes die kommende, segensreiche Elternschaft. Der interessierte Besucher kann diesen und andere Holzschnittes Dürers noch bis zum 20. August im Grafischen Kabinett des Clemens-Sels-Museums bewundern. Martin Langenberg Clemens-Sels-Museum