Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Zocken als olympische Disziplin
DÜSSELDORF Der FC Schalke 04 ist unlängst Deutscher Meister geworden. Wer nun hastig in den Geschichtsbüchern zurückblättert und dort 1958 als letztes dokumentiertes Jahr findet, in dem die Königsblauen die Schale gewinnen konnten, der hat Recht und irrt zugleich. Im Fußball ist der letzte ganz große Erfolg tatsächlich schon eine Weile her. Im sogenannten eSport
eSportler erreichen Herzfrequenzbereiche, als ob sie gerade einen Marathon laufen
ist der jüngste Erfolg noch frisch. Cihan Yasarlar ist Sieger der virtuellen Bundesliga geworden. Dafür hat er sich als Bester durch das Spiel „Fifa“gezockt und seine nationalen Konkurrenten deklassiert.
Beim FC Schalke ist man schwer begeistert von Yasarlar und der neuen eSports-Abteilung im Verein. Als Marketingvorstand Alexander Jobst vor einem Jahr auf der Mitgliederversammlung über das Projekt berichtete, fehlte es vielen vermutlich noch am Vorstellungsvermögen, um was es überhaupt geht. eSport, was? Zwölf Monate später ist zumindest schon einmal geklärt, dass man mit dem Engagement offenbar viel Geld verdienen kann. Schalke hat zunächst 600.000 Euro in die Sparte investiert. Diese Summe soll durch Vermarktung deutlich wieder reingespielt worden sein. „Auf der Welt spielen 1,7 Milliarden Menschen eSport, viele hundert Millionen davon im asiatischen Raum“, sagt Jobst. „Mit dem Engagement im eSport erreichen wir in China die Wahrnehmung der Marke Schalke04 auf einfache digitale Weise.“
Schalke war der erste FußballBundesligist, der sich auch in dieser neuen Welt engagiert. Mittlerweile sind der VfL Wolfsburg und der VfB Stuttgart dazugekommen. Im eSports gebündelt sind ganz unterschiedliche Spiele – es gibt die Fußball-Simulation „Fifa“, das martiali- sche Ballerspiel „Counter Strike“oder diverse Strategiespiele, die in der Profiliga League of Legends gespielt werden. Zwei Teams – bestehend aus jeweils fünf Spielern – treten an Konsolen wie der Playstation gegeneinander an. Ein gigantisches Geschäft mit einem Millionenpublikum. eSport wird laut Untersuchungen schon 2020 Einnahmen in Höhe von fast 1,5 Milliarden USDollar einspielen. Im vergangenen Jahr lag dieser Wert noch knapp unter 500 Millionen.
Die Sportverbände sind vom eSport bislang noch nicht überzeugt und verweigern die Aufnahme. Beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) hat man nun eigens eine Arbeitsgruppe gegründet, um über das Für und Wider zu beraten. Bisherige Einschätzung der Organisation: Eine Reihe von Voraus- setzungen seien nicht erfüllt. Der Dachverband des deutschen Sports verweist dazu auf seine Aufnahmeordnung. In der ist von einer „eigenen, sportartbestimmenden motorischen Aktivität“, der „Einhaltung ethischer Werte“und „bestimmten Verbandsstrukturen die Rede“.
„Wir haben natürlich schon über die Aufnahme diskutiert. Wir haben nur ein Problem, wenn wir das machen, ist ein Grundsatz in Frage gestellt: es geht uns darum, die Kinder und Jugendlichen in Bewegung zu bringen. Wir wollen sie vom Computer wegbringen. Sie müssten verantwortlich mit diesen neuen Medien umgehen und noch die Zeit haben, sich zu bewegen“, sagt DOSBVize Walter Schneeloch, 70, im Gespräch mit unserer Redaktion.
Jugendliche müssten also verpflichtend einmal um den Block ge- hen, bevor sie die Kiste anschmeißen und zocken? „So ungefähr“, befindet Schneeloch. „Es macht wenig Sinn, sich da wie ein Oberlehrer aufzuführen und irgendwelche Vorschriften zu fordern, über die sich die Kids kaputtlachen. Ich bin schon etwas älter, für mich ist es schwierig, so etwas als Sport zu bezeichnen. Schach ist auch Mitglied im DOSB, das hat historische Gründe. Man könnte natürlich sagen, wir beginnen nun eine neue Zeitrechnung. Wir verschließen uns dem gar nicht. Aber wie gesagt: Es kann nicht sein, dass jemand sieben Stunden vor einem Rechner sitzt und dann ganz stolz seinen Eltern berichtet, wie viel Sport er heute schon gemacht hat.“Messungen haben ergeben, dass eSportler bis zu 400 Mal in der Minute auf ihre Maus drücken und Herzfrequenzbereiche errei- chen, als ob sie einen Marathon laufen würden.
Das Asiatische Olmpische Komitee hat eSport mittlerweile ins Programm für die Asienspiele aufgenommen. 2022 wird es auf dem virtuellen Spielfeld erstmals um Gold gehen. Deshalb sehen es auch hier zu Lande viele nur als eine Frage der Zeit an, bis der DOSB an einer Aufnahme überhaupt nicht vorbeikommt. Davon ist auch Michael Bister überzeugt, deutscher eSportChef bei der Electronic Sports League (ESL). Dem Bayerischen Rundfunk hat er gesagt: „Es wird so oder so passieren. Die Frage ist immer nur – wann.“
Und auch Schneeloch (DOSB) ist optimistisch: „Wenn wir aber merken, dass es keine Annäherung gibt, dann müssen wir zu einem entschiedenen ,Nein’ kommen.“