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Kim ist nicht zu stoppen
DÜSSELDORF Die Twitter-Nachricht datiert vom 3. Januar 2017: „Nordkorea hat gerade erklärt, dass es kurz davor steht, eine Nuklearwaffe zu entwickeln, die Teile der USA erreichen kann. Das wird nicht passieren!“, schrieb Donald Trump, designierter US-Präsident. Aber es passierte wohl doch: Westliche Geheimdienste halten es inzwischen für vorstellbar, dass Nordkorea die USA mit Atomwaffen angreifen kann. Dass das Land über die Raketen mit der nötigen Reichweite verfügt, hat es der Welt schon ausgiebig demonstriert.
Wenn man die verbale Eskalation zwischen Washington und Pjöngjang verfolgt, kann man fast den Eindruck bekommen, dass die atomare Apokalypse kurz bevorsteht. Natürlich sind die gegenseitigen Drohgebärden riskant, weil sie die Gefahr überstürzter Reaktionen verstärken. Trotzdem: Nordkoreas Diktator Kim Jong Un wird keinen Krieg vom Zaun brechen, der sein sicheres Ende bedeuten würde. Aber er wird auch um keinen Preis sein Atomwaffenprogramm aufgeben, das Nordkorea unbeirrt von Sanktionen seit vielen Jahren vorantreibt. Donald Trumps Gepolter ist daher vor allem der Ausdruck der frustrierten Erkenntnis, dass sich der Aufstieg der letzten stalinistischen Diktatur zur Atommacht wohl nicht mehr stoppen lässt.
Aus Washington heißt es zwar nun wieder, sämtliche Optionen lägen auf dem Tisch. Aber entweder haben sich die diskutierten Maßnahmen in der Vergangenheit als wirkungslos erwiesen, oder aber sie wären brandgefährlich und in ihren Auswirkungen unkalkulierbar. Das gilt insbesondere für einen möglichen amerikanischen Präventivschlag gegen die atomaren Anlagen und Raketenlager des Regimes. Nicht einmal die optimistischsten Militärs glauben, dass sich das Arsenal von Kim Jong Un auf diese Weise garantiert zu 100 Prozent ausschalten ließe. Das liegt schon daran, dass niemand weiß, wie viele solcher Einrichtungen es in dem Land überhaupt gibt.
Und selbst wenn: Nordkorea verfügt über die fünftgrößte Armee der Welt, eine waffenstarrende Truppe mit 1,2 Millionen Soldaten und sieben Millionen Reservisten, sowie ein apokalyptisches Arsenal an biologischen und chemischen Waffen. Zu Beginn des Jahrtausends kamen Experten des Pentagon zu der Einschätzung, dass schon die ersten 90 Tage eines Krieges auf der Halbinsel bis zu 500.000 Tote und Verwundete unter amerikanischen und südkoreanischen Soldaten fordern könnten. Dazu kämen wohl Hunderttausende ziviler Opfer, immerhin liegt die südkoreanische Hauptstadt Seoul mit ihren fast zehn Millionen Einwohnern nur gut 50 Kilometer von der Demarkationslinie am 38. Breitengrad entfernt, die Korea seit dem Zweiten Weltkrieg in zwei Hälften teilt. Ein neuer Koreakrieg würde zudem die Weltwirtschaft bis ins Mark erschüttern.
Auch die Ausschaltung der Regimespitze und namentlich Kim Jong Uns erscheint mehr als riskant. Zum einem hat der Diktator schon beim geringsten Anzeichen auf solche Umsturzpläne mit einem nuklearen Inferno gedroht. Und zum anderen kann niemand sagen, was nach einem Sturz von Kim geschähe, in welche Hände sein NuklearArsenal fiele. Selbst eine Fortsetzung der bisherigen Strategie, mit Sanktionen Druck auf Pjöngjang auszuüben, ist nicht ohne Risiko. Zwar hat sich gezeigt, dass dem Regime ökonomischer Druck völlig egal ist, solange nur das Volk darunter leidet. Sollte aber zum Beispiel die Versorgung der Armee bedroht sein, könnte auch dies schon eine militärische Eskalation auslösen.
Ein Deal wie etwa mit dem Iran, der sich auf scharfe Kontrollen einließ, um seine internationale Isolation zu durchbrechen, scheint mit Nordkorea undenkbar. Hinzu kommt, dass das Regime die Welt über die mit der Atomrüs-
Das Geschäftsmodell des Kim-Regimes beruht auf Erpressung – mit der Bombe als Druckmittel