Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Videos sollen Kohlegegner abschrecken
Die Schwachstellen der Kohlekraftwerke Frimmersdorf, Neurath und im Tagebaus Garzweiler sind der Polizei Aachen bekannt, die die Einsatz-Federführung übernimmt. Die Aktivisten haben RWE ein Ultimatum zum Kohleausstieg gestellt.
GREVENBROICH/JÜCHEN Polizei und RWE Power sind in Habachtstellung: Denn die Braunkohlegegner der unterschiedlichen Aktionsgruppen haben für die kommenden Tage auch Besetzungen der Kohlekraftwerke in Frimmersdorf, Neurath und des Tagebaus Garzweiler avisiert. Wie gefährlich sich solche Gegner-Demonstrationen entwickeln können, zeigte der Fund eines Brandsatzes, den eine Aktionsgruppe von Kohlegegnern im vergangenen Jahr an einem RWE-Bahnstellwerk in Grevenbroich postiert hatte. Die Täter sind bislang noch nicht gefasst worden.
Die Polizei des Rhein-Kreises Neuss hat, ebenso wie die Kollegen in Erkelenz, die Federführung für Einsätze gegen Demonstranten und Besetzer auch in Grevenbroich und Jüchen an die Polizeibehörde in Aachen abgegeben: Das berichtet Polizeisprecherin Daniela Dässel. Erkelenz hatte sich angesichts der zu erwartenden Größenordnung der Proteste als überfordert erklärt. Und von der Polizei in Neuss heißt es, man müsse mit den eigenen Kräften vor allem beim Neusser Schützen- fest im Einsatz sein. Sollte es zu größeren Ausschreitungen in den Kohlekraftwerken und im Tagebau kommen, dann sei in erster Linie die Polizei Aachen gefragt: „Wir werden aber im Bedarfsfall zur Unterstützung angefordert“, berichtet Dässel. Im Internet sollen Kohlegegner RWE ein Ultimatum für die Abschaltung auch der Grevenbroicher Kohlekraftwerke bis Donnerstag Nacht gestellt haben.
Der Aachener Polizeioberkommissar Andreas Müller sagte gestern zwar noch: „Das Konzept der Aachener Polizei setzt einerseits auf den Dialog und die Kommunikation mit allen Beteiligten.“Neben Gesprächen mit Anwohnern habe die Aachener Polizei insgesamt sieben Aufklärungsvideos in den sozialen Netzwerken Facebook und Twitter veröffentlicht, um auf die Gefahren im Tagebau aufmerksam zu machen. Doch der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach hat auch klar gemacht, dass gegen Straftaten mit voller Härte vorgegangen werde. „Die Polizei Aachen unterstützt ausdrücklich den friedlichen Protest, als wichtigen Teil unserer Demokratie. Andererseits wird die Polizei Straftaten nicht hinnehmen und, entsprechend dem gesetzlichen Auftrag, Straftäter konsequent verfolgen“, betont auch Andreas Müller und fügt hinzu: „Die Bereiche Grevenbroich und Jüchen-Garzweiler sind vom Sicherheitskonzept der Polizei natürlich mit erfasst.“
Auf eine abschreckende Wirkung von Videos setzt auch RWE Power erstmalig, wie Pressesprecher Lothar Lambertz bestätigt. Unter „www.rwe.com/klimacamp_sicher- heitshinweise“sind, wie berichtet, die Videos einsehbar. Sie verdeutlichen die Gefahren für Leib und Leben, die bei einem unbefugten Betreten von Kohlekraftwerken und Tagebauen lauern. Lambertz sagt: „Wir hoffen, dass sich die Aktivisten und sonstige diese Videos ansehen und dass sie zur Einsicht beitragen, sich der Lebensgefahr nicht auszusetzen.“Zu der zwar als gewaltfrei angekündigten Besetzung der Kohlekraftwerke gibt der RWE-Sprecher zu bedenken, dass durch solche Handlungen vor allem auch die Stromversorgung der Bevölkerung sowie natürlich auch der Gewerbebetriebe gefährdet werde.
„Freiwillig lassen wir natürlich niemanden in die Kraftwerke“, verdeutlicht Lambertz und verweist auf die bereits propagierte Marschrichtung von RWE Power, in allen Fällen von Missachtung des Hausrechts auch Anzeige zu erstatten. Im Vorfeld der angekündigten Proteste habe es Ortstermine mit der Polizei Aachen, natürlich auch in Frimmersdorf, Neurath und Garzweiler, gegeben. „Wenn etwas passiert, dann rufen wir sofort die Polizei aus Aachen hinzu. Sie kennt sich bei uns bestens aus“, versichert Lambertz.
Abschrecken sollen die Videos, die Polizei und RWE jetzt ins Netz gestellt haben. So weit das Wunschdenken. Dabei können gut gemeine Warnvideos aber auch als Schuss nach hinten losgehen. Denn der „gemeine Aktivist“versteht sich vom Typus her bekanntlich als Held, der (fast) jedes Wagnis eingeht, um sein Anliegen möglichst sensationsträchtig öffentlich zu machen. So kann schlimmstenfalls die in den Videos vor Augen geführte Gefahr die Aktivisten sogar noch anfeuern. Niemand will dies, aber die Gefahr besteht. Was wirklich hilft, kann nur eine konsequente Strafverfolgung derer sein, die das Recht auf freie Meinungsäußerung durch Gewalttaten missbrauchen. Auch eine als gewaltfrei angekündigte Besetzung eines Kohlekraftwerkes bleibt eine Straftat gegen die Eigentümerrechte. Da muss und soll die Justiz hart durchgreifen. gundhild.tillmanns@
ngz-online.de