Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Der Soundtrack des Spätsommers
Die Rock-Band Grizzly Bear hat eine großartige neue Platte veröffentlicht.
DÜSSELDORF Das neue Album von Grizzly Bear ist die perfekte Rückreise-Platte. Man sollte sie auf der Heimfahrt hören, aus den Ferien vielleicht oder von einem Ausflug. „Painted Ruins“heißt sie, und die Lieder sind gesättigt von jener nervösen Melancholie, die man bisweilen spürt, wenn etwas zu Ende geht, das gut war, und bald etwas beginnt, das anders ist, ohne dass man so genau wüsste inwiefern.
Grizzly Bear ist ein Quartett; die Jungs begannen einst in Brooklyn und wurden jener Szene zugerechnet, die man als „Weird Folk“bezeichnet und zu der auch Joanna Newsom und Animal Collective gezählt werden. Von diesem Milieu entfernen sie sich auf ihrer fünften Platte jedoch deutlich. Die Musik ist nach wie vor stark an Vorbildern aus den 60er und 70er Jahren orientiert, aber sie klingt nun stärker elektronisch, ja: poppiger und eingängiger.
Der schönste Song heißt „Mourning Sound“. Daniel Rossen und Ed Droste wechseln sich beim Singen ab, und wenn man aus dem Stegreif ein Video dazu drehen sollte, würde man etwas Abstraktes basteln aus Vorhängen, die vom Wind gebauscht werden und bunten Glasscherben, in denen sich Licht bricht. Dazu würde man Menschen in die Sonne blinzeln lassen.
Die Band überträgt die Harmonien der Beach Boys in ihre Stücke, und „Glass Hillside“erinnert an Steely Dan. Über allem liegt ein psychedelischer Nebel, aus dem immer wieder zuckersüße Melodien aufsteigen. Das Faszinierende an den Arrangements ist indes, dass Grizzly Bear nie den direkten Weg nehmen, was vor allem am sympathisch eigensinnig agierenden Drummer Chris Bear liegt. Man kann das gut an dem Stück „Four Cypresses“nachvollziehen: Es wäre eine wunderbare pastorale Ballade, allerdings womöglich allzu idyllisch und sogar ein wenig langweilig, wenn Bear nicht diesen Marschrhythmus hineingebaut hätte. So geht das fast in jedem Song: Die Gruppe dekonstruiert das Erwartete, lässt klassische Songstrukturen in der Sonne schmelzen und kreiert aus den Resten schwankende Getüme mit hohem Neuigkeitswert.
Drei Bandmitglieder leben inzwischen in Los Angeles, und man meint das zu hören. Die Klanglandschaften, die sie entwerfen, kommen ohne festen Grund aus, es wuchert darauf, es ist so hell, dass der Blick verschwimmt. In „Cut-Out“, einem der besten Lieder auf „Painted Ruins“, beschreiben Grizzly Bear ihre Poetik selbst: „Focused on a point that won’t be found“.
Schöner kann Versonnenheit jedenfalls gar nicht klingen.