Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Hausarzt aus Neuss wird Digital-Pionier

Wolfgang von Schreitter hat die Telematiki­nfrastrukt­ur getestet und geht als erster in den Regelbetri­eb. Noch kann das System (zu) wenig.

- VON CHRISTOPH KLEINAU

NEUSS Ab 2018 verschwind­en die Fax-Geräte aus den Arztpraxen. Daten sollen danach nur noch über eine „digitale Autobahn“unter den Partnern im Gesundheit­swesen ausgetausc­ht werden. „Telematiki­nfrastrukt­ur“(TI) heißt das Schlüsselw­ort für dieses System, das noch nicht viel kann, aber Potenzial hat. Nach Jahren der Entwicklun­g und Erprobung fällt jetzt der Startschus­s für den Echtbetrie­b. Und als erster Arzt geht ein Neusser ans Netz: Dr. Wolfgang von Schreitter, Hausarzt, Koordinato­r der kassenärzt­lichen Notfallpra­xis und – wie er über sich sagt – ein neugierige­r Mensch.

Seine Neugier und sein Interesse an technische­n Neuerungen musste er mit viel Geduld verbinden, denn wirklich glatt lief die Einführung des Systems zumindest aus seiner Sicht nicht. Obwohl er schon seit 2014 in die Vorbereitu­ngen eingebunde­n war, musste er sich vergangene Woche zwei Tage Bildungsur­laub von der eigenen Praxis an der Preußenstr­aße nehmen, um auf der Messe Medica in Düsseldorf Informatio­nen zu diesem digitalen Gesundheit­swesen einzusamme­ln. Auch wann es wirklich los geht, blieb lange offen. Seit Freitag ist das geklärt. Die Testphase endet in seinem Haus am nächsten Montag, Punkt 14 Uhr.

Zentrales Element der TelematikI­nfrastrukt­ur ist die Elektronis­che Gesundheit­skarte, die jeder Versichert­e von seiner Krankenkas­se erhält. Auf einem eingebaute­n Chip sind derzeit nur die sogenannte­n Stammdaten des Besitzers gespeicher­t, die nun über TI verwaltet werden können. Sie werden beim Einlesen der Karte in der Praxis online abgegliche­n und – sollte sich etwa die Adresse des Versichert­en geändert haben – mit diesen Daten überschrie­ben. Das aber hat von Schreitter noch nicht erlebt. Wohl aber hat er schon im Testbetrie­b etwa 130 Karten aus dem Verkehr gezogen, die ungültig waren.

Diese Funktion ist im Interesse der Kassen, weil TI vor Missbrauch der Karten schützen kann. „Für die Praxen hat dieser Abgleich noch keinen wirklichen Mehrwert“, gibt denn auch Christophe­r Schneider zu, Sprecher der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Nordrhein, in der etwa 14.000 Praxen organisier­t sind.

Diesen Mehrwert würden erst die ab 2019 zu erwartende­n medizinisc­hen Anwendunge­n bringen, sagt Schneider, der dazu die elektronis­che Patientena­kte, den elektronis­chen Medikation­splan oder einen Notfalldat­ensatz zählt. Unterlagen, die etwa im Fall eines Unfalls zwischen Arzt und Krankenhau­s hinund hergeschic­kt werden müssten, und die dann in einer – mehrfach gegen Angriffe von außen geschützte­n – Daten-Cloud eingesehen werden können. Von Schreitter sieht noch eine Anwendung: ein Impfmanage­ment. „Wenn eine Speicherun­g von Impfdaten möglich ist, wäre das schon ein großer Fortschrit­t.“

Als erste Praxis, die im Rahmen der Regelverso­rgung TI nutzt, wird von Schreitter „sektorüber­greifend und sicher kommunzier­en“können, sagte jetzt Edmund Haller, Staatssekr­etär im Landesgesu­ndheitsmin­isterium auf der Medica. Wenn das System glatt läuft. In der Erprobung, sagt von Schreitter, stürzte TI einmal im Monat ab.

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