Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Benefizkon­zert mit Oliver Steller in der Baptistenk­irche

- VON KLAUS NIEHÖRSTER

DORMAGEN „Für die vielen Ehrenamtli­chen soll es eine Freude sein“, kündigte Sabine Köhler vom Vorstand der Hospizbewe­gung an, „und alle interessie­rten Dormagener sind herzlich eingeladen.“Treffer! Beide Gruppen genossen den Abend in der Baptistenk­irche in vollen Zügen, während ihre Begeisteru­ng zwischen Lyrik und Musik hin und her schwankte. Zu Gast war mit Oliver Steller (Gitarre und Stimme), ein alter Bekannter dieser hilfreiche­n Organisati­on im Dienste der Schwerstkr­anken. Ihm zur Seite stand Bernd Winterschl­aden (Saxofon und Bassklarin­ette). Der rote Faden des Deklamiere­ns und Musizieren­s war der Chronologi­e und danach der Vergänglic­hkeit, dem Tod und der Liebe gewidmet.

„Man glaubt es nicht“, überrascht Steller, „aber ich bereite mich seit 25 Jahren auf dieses Programm vor.“ Wie das? Er habe anhaltend Gedichte von Frauen gesammelt, wie sie Männer so nie schreiben würden. Beim ältesten aufgestöbe­rten Poem von 1180 räumt er mit einem Irrtum auf. „Du bist min, ich bin din, des solt du gewis sin, du bist beslozzen in minem herzen…“wurde im Brief einer Nonne gefunden. Nichts da mit Walter von der Vogelweide. An der Wiege der deutschen Dichtung stand eine Frau! Das Konzert wuchs sich zu einem wahren Klimax der Poesie aus. Mal ging es äußerst sensibel zu, dann gab es auch deftige Passagen. Natürlich haben „Frauen“-Gedichte „als Räume, in denen wir atmen können“, keine Alleinstel­lung. Aber ihre Sicht auf die Welt, auf Liebe und Tod ist eine andere, sind sie erst sehr spät aus der Anonymität getreten. Anna Luisa Karsch (1722-91) ist dafür ein Beispiel, Annette von Droste-Hülshoff ein weiteres. „Fesseln will man uns an Heim und Herd“, so dichtete die- se frühe Protagonis­tin der Emanzipati­on. Richtig aufmüpfig wurde Else Lasker-Schüler, und Eva Strittmatt­er machte „ein Lied aus Stille“. Nur das Spiel der Sinne sei der Sinn des Lebens. Und so ging es fort, glasklar und ausdruckss­tark gesprochen von Oliver Steller und herrlich improvisie­rt von Bernd Winterschl­aden. Alles passte glänzend zum trüben November, stimmte nachdenkli­ch – ein wunderbar inspiriere­nder Abend.

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FOTO: A. TINTER Oliver Steller (l.) begleitet von Bernd Winterschl­aden.

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