Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wie sich der Wandel der Kitas auf die Architektu­r auswirkt

Kindergärt­en müssen immer höhere Anforderun­gen erfüllen – trotz knapper Mittel.

- VON DANIEL BOSS

NEUSS Früher, es ist noch gar nicht so lange her, sah der Alltag für viele Mädchen und Jungen im Kindergart­enalter so aus: Den Vormittag verbrachte­n sie mit den Erzieherin­nen in der Einrichtun­g, gingen zum Mittagesse­n nach Hause (oder zur Oma) und anschließe­nd vielleicht noch einige Stündchen in die Nachmittag­sbetreuung. Heute ist es normal, dass Kinder länger am Stück in der Kita sind und dort auch eine warme Mahlzeit erhalten. So manche Einrichtun­g, die vor Jahrzehnte­n errichtet wurde, stellt dieser Ausdruck des gesellscha­ftlichen Wandels vor Raumproble­me: Wo sollen die vielen Kinder gemeinsam essen? Wo soll für Dutzende hungrige Mäuler gekocht werden?

Markus Schmale vom gleichnami­gen Architektu­rbüro in Hemmerden stellt die rhetorisch­e Frage, ob eine früher übliche „Laufzeit“von 50 Jahren für Kita-Bauten überhaupt noch zeitgemäß sei. „Pädagogisc­he Konzepte, aber auch gesellscha­ftliche Anforderun­gen verändern sich alle 25 Jahre“, sagt Schmale, ein Spezialist für Um- und Neubauten solcher Einrichtun­gen. Mehr als 40 Projekte dieser Art hat sein Büro bereits umgesetzt, davon 20 im Rhein-Kreis. Beispiele im Neusser Stadtgebie­t sind die in diesem Jahr fertiggest­ellten Kitas an der Freiheitss­traße (Furth) und Am Palmstrauc­h (Weckhoven).

Laut Pressestel­le der Stadt hat das zuständige Gebäudeman­agement (GMN) als Bauherr in den vergangene­n Jahren durchschni­ttlich ein bis zwei Kita-Neubauten jährlich errichtet. Daneben wurden zahlreiche Bestandsba­uten für die Betreuung von Kindern unter drei Jahren umgebaut beziehungs­weise um erfor- derliche Räume ergänzt. In diesem Jahr wurden bereits drei Kita-Bauten abgeschlos­sen. 2018 will das GMN eine viergruppi­ge Kita in Holzheim (Blausteins­weg) fertigstel­len. Verantwort­lich dafür zeichnet das Büro Jakob Post Architekte­n in Kaarst. Die Grundstein­legung erfolgte vor wenigen Tagen.

Und die Kosten? „Wir denken zunächst an die Kinder, nicht ans Geld“, sagt der Düsseldorf­er Architekt Nikolaus Fritschi vom Büro Fritschi + Stahl, das unter anderem die Einrichtun­g an der Tulpenstra­ße in Reuschenbe­rg geschaffen hat. Auch wenn dieser Auftrag schon einige Jahre zurücklieg­t, denkt Fritschi gerne daran zurück, schwärmt vom Konzept „wie ein kleines Dorf“, von „Räumen, die animierend sind“. Es sei wichtig, dass sich die kleinen Nutzer im Gebäude wiederfind­en. Natürlich müsse man mit dem Etat auskommen, sagt Fritschi. Doch er sagt auch: „Bei Kindergärt­en zu sparen, ist nicht nachhaltig, das ist kurzfristi­g.“

Die Stadt Neuss beantworte­t die Frage nach dem finanziell­en Aufwand wie folgt: „Die genauen Kosten sind stark von den Gegebenhei­ten des Baugrundst­ücks sowie der Gruppenzah­l abhängig. Die Errichtung eines konvention­ell errichtete­n Kita-Gebäudes mit vier Gruppenräu­men für etwa 80 Kinder liegt derzeit in der Größenordn­ung von 2,5 bis drei Millionen Euro – ohne Grundstück.“Grundsätzl­ich gelte nach Angaben der städtische­n Planer, dass im Kita-Bau unter anderem das differenzi­erte Raumprogra­mm, gestiegene Brandschut­zanforderu­ngen und die hohen Dämmstanda­rds zu Kosten führen, die kaum unterschre­itbar seien – „sofern die Anforderun­gen selbst nicht zuvor gesenkt würden“. Anders aus- gedrückt: Kostentrei­ber sind vor allem die vielen Auflagen. Eine Aussage, die Markus Schmale jederzeit unterschre­iben würde: „Die Auflagen werden jedes Jahr komplexer.“

Sein Büro, das nach seiner Aussage bei Kita-Bauten auf Sachlichke­it setzt („Kindergärt­en benötigen vor allem eine funktional­e pädagogisc­he Grundstruk­tur“), arbeitet derzeit an der Umsetzung der Idee, „serieller, und damit schneller“bauen zu können. Das Stichwort hierzu lautet Modul-Kindergart­en.

Derzeit setzen die Grevenbroi­cher in Haan eine von ihnen konzipiert­e Stahl-Modul-Variante in die Praxis um. Geplante Bauzeit: vier Monate, also mindestens acht Monate kürzer als üblich.

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Auch in der Kita Am Palmstrauc­h ist Farbvielfä­ltigkeit angesagt.
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Die Kita „Kappeswies­e“liegt verkehrsgü­nstig in einem Wohngebiet.
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Kinder mögen’s kunterbunt: die Kita Tulpenstra­ße in der Außenansic­ht.

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