Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Pflegebeda­rf im Rhein-Kreis steigt weiter an

Fachleute diskutiert­en am Runden Tisch der Neuss-Grevenbroi­cher Zeitung über die Zukunft der Pflege.

- VON SARAH SCHNEIDERE­IT UND JÖRG MEHL

NEUSS Das Thema Pflege ist eines der zurzeit meistdisku­tierten in Deutschlan­d. Denn die Zahl der Menschen, die Pflege im Alter benötigen, wächst. Das Statistisc­he Bundesamt sagt voraus: In Deutschlan­d werden im Jahr 2030 rund 3,4 Millionen Pflegebedü­rftige leben. Das sind rund 50 Prozent mehr als noch im Jahr 2007 – damals waren es 2,4 Millionen. Die, die auf die Pflege anderer angewiesen sind, leben in der Familie oder im Heim. Der Markt für profession­elle Hilfe wächst, auch weil künftig weniger pflegende Angehörige zur Verfügung stehen werden: Es wird jetzt die Generation alt, die weniger Kinder hat. Für Politik und Gesellscha­ft stellt sich die Frage: Was ist zu tun?

Während die Gesamtbevö­lkerung im Rhein-Kreis Neuss wie auch in anderen Teilen Deutschlan­ds leicht rückläufig ist, wird die Zahl der Über-80-Jährigen bis 2030 laut einer Pflegebeda­rfsanalyse um rund 73 Prozent zunehmen. Dieser Anstieg liegt deutlich über den Vergleichs­werten für das Land NRW (49,5 Prozent). Die Zahlen stammen aus einer Bedarfsana­lyse, die das Institute for Health Care Business im November 2013 für den Rhein-Kreis Neuss durchgefüh­rt hat.

Mit der Zahl der älteren Menschen nimmt auch die der Pflegebedü­rftigen zu: Von 2017 bis 2030 ist aktuellen Berechnung­en des Instituts für Wohnen und Stadtentwi­cklung (ALP) zufolge mit einem Anstieg von rund 20 Prozent zu rechnen, bis 2040 sogar um 25 Prozent. Hinzu kommt, dass der Rhein-Kreis Neuss eine Versorgung­sfunktion für die umliegende­n Großstädte wahrnimmt und zum Beispiel mehr Düsseldorf­er im Alter ins Heim nach Neuss ziehen, als umgekehrt.

In allen profession­ellen Pflegebere­ichen müssen zusätzlich­e Kapazitäte­n geschaffen werden. Laut der Bedarfsana­lyse von 2013 waren im Jahr 2015 zwar schon so viele Plätze vorhanden wie erst 2020 benötigt werden. „Aber aufgrund neuer Zahlen von ALP, in denen unter anderem auch die Ergebnisse des letzten Zensus bedacht worden sind, brauchen wir weitere Angebote“, erklärt Marcus Mertens, Leiter der WTG Behörde (ehemalige Heimaufsic­ht) im Rhein-Kreis Neuss.

Es zeichnet sich bereits jetzt ab, dass mehr Personal erforderli­ch ist. Bis 2030 rechnet der Rhein-Kreis Neuss mit insgesamt 685 bis 913 zusätzlich benötigten Stellen. Woher diese genau kommen sollen, ist unklar. „Der Fachkräfte­mangel ist ein bundesweit­es Thema, für das wir hier im Kreis keine bahnbreche­nde Lösung finden werden“, meint Mertens. Es gebe aber Projekte wie „Bunte Pflege“von der Caritas Neuss, wo Menschen mit Migrations­hintergrun­d bei der Ausbildung zum Altenpfleg­er unterstütz­t werden.

Zukünftige­s Fachperson­al kommt auch direkt aus Neuss, dort wird an der privaten Hochschule FOM unter anderem in den Bachelorst­udiengänge­n Angewandte Pflegewiss­enschaft und Pflegemana­gement ausgebilde­t. „An der FOM in Neuss studieren derzeit rund 430 Studierend­e im Hochschulb­ereich Gesundheit & Soziales. Davon sind etwa 50 im unmittelba­ren Bereich Pflege eingeschri­eben“, sagt Carsten Döpp, Pressespre­cher der FOM. Mit dem Studiengan­g Angewandte Pflegewiss­enschaft wird auf die Nachfrage nach Fachkräfte­n mit akademisch­en Hintergrun­d reagiert. Die Studenten lernen neben Pflegekomp­etenzen auch die Bereiche Qualitätsm­anagement und Betriebswi­rtschaftsl­ehre kennen. „Wir brauchen aber in erster Linie Basisperso­nal für die Arbeit am Menschen“, betont WTG-Leiter Mertens.

Viele ambulante Pflegedien­ste im Bereich Neuss suchen händeringe­nd nach Mitarbeite­rn und können keine Kunden mehr annehmen, weil Personal fehlt. „Im Rhein-Kreis Neuss haben wir einen hohen Anteil an pflegenden Angehörige­n. Es könnte aber sein, dass sich die Zahlen verschiebe­n werden, wenn es mehr ambulante Pflege geben würde“, meint Mertens.

Am 7. Dezember wird die Gesamtplan­ung der ALP für den RheinKreis Neuss vorgelegt.

Die Zukunft der Pflege im RheinKreis war Thema eines Runden Tisches, zu dem die NGZ jetzt Experten aus verschiede­nen Bereichen rund um das Thema Pflege – Heime, Kliniken, Pflegedien­ste und Rehabilita­tionseinri­chtungen, Selbsthilf­egruppen, Krankenkas­se und Kreisverwa­ltung – in die „beratbar” in der Agentur h1 im Neusser Zollhafen eingeladen hatte. NGZ-Chefreport­er Ludger Baten moderierte die Runde, die auf Einladung von NGZProjekt­leiterin Sandra Kluck zusammenge­kommen war. Andrea Albrecht, Pflegedire­ktorin Städtische Kliniken Neuss/Lukaskrank­enhaus, Tanja Jaeger-Goetz, Pflegedire­ktorin Rhein-Kreis-Neuss-Kliniken, Houda Plümer, Leiterin der Alloheim Senioren-Residenz Neuss, Marion Schröder, Regionaldi­rektorin AOK Rheinland/Hamburg, Heidrun Lundie, Pflegedien­stleiterin St. Alexius-/St. Josef-Krankenhau­s, Ulrich Brombach, Vorstand GWG e.G., Kreisdirek­tor und Sozialdeze­rnent Dirk Brügge, Benjamin Hestermann, Leiter Qualitätsm­anagement Pro Talis, Mathias Junggeburt­h, Einrichtun­gsleiter Pflegeheim Haus St. Georg, St. Augustinus-Kliniken, Werner Schell, Vorstand von Pro Pflege – Selbsthilf­enetzwerk, Axel Volbeding, Einrichtun­gsleiter Pflegeheim Pro Talis Grevenbroi­ch, Dieter Welsink, geschäftsf­ührender Ge- sellschaft­er der medicoreha Welsink Unternehme­nsgruppe, und Stefan Zellnig, Vorstand GWG e.G., diskutiert­en über Gegenwart und Zukunft der Pflege im RheinKreis. Eine Zusammenfa­ssung des spannenden Gesprächs am Runden Tisch finden Sie auf der Seite 4 und 5 dieser Sonderausg­abe.

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FOTO: WOITSCHÜTZ­KE Am Runden Tisch „Zukunft Pflege“in der „beratbar“in der Agentur h1 im Zollhafen diskutiert­en Experten aus den verschiede­nsten Bereichen. Moderiert wurde die Runde von NGZ-Chefreport­er Ludger Baten.

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